8. Mai: Gedenktag und Verpflichtung

16. Mai 2020

Köln-Mülheim Ratsplatz: das Denkmal „Faschismus. Krieg. Nie wieder!“ wurde am 8. Mai 1985 von der Friedensinitiative Mülheim dem Stadtbezirk geschenkt. Zum 75. Jahrestag der Befreiung ist es frisch im Boden verankert worden. Blumen wurden niedergelegt. Eine Infotafel erläuterte die Geschichte des Ortes.

Ja, den 8. Mai 2020, den 75. Jahrestag der Befreiung Deutschlands von Faschismus und Krieg, hatten wir Antifaschistinnen und Antifaschisten uns eigentlich anders vorgestellt. In feierlichem und würdigem Rahmen wollten wir der Befreiung, der Befreier und der Opfer des Naziregimes und des von ihm begonnenen Krieges gedenken – des Krieges, der von Deutschland aus seinen Anfang nahm, der am 8. Mai 1945 in Deutschland endete und der Abermillionen Menschenleben kostete.

Am Mülheimer Rheinufer zwischen Schlackenbergwerft und Düsseldorfer Straße befand sich ein Zwangsarbeiterlager der Firma Felten & Guilleaume Carlswerk AG, ca. 650 Menschen – vor allem aus der Sowjetunion – wurden hier gefangen gehalten. Viele überlebten die schwere Arbeit, Krankheiten und Bombenangriffe nicht. Mitglieder von Kein Veedel für Rassismus Mülheim, der Nachbarschaft Köln Nord, der Geschichtswerkstatt und der VVN erinnerten am 8. Mai an diesen Ort.

Aber Corona machte uns einen Strich durch die Rechnung und doch wurde gedacht. Am Mahnmal am Hansaring, am Westfriedhof, am Mahnmal Bartholomäus-Schink-Straße, in Brauweiler, am Deutzer Rheinufer und an vielen anderen Stätten des mörderischen Terrors wurden Blumen niedergelegt, gab es kleine Kundgebungen, hieß es: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Viele Blumen lagen auch an der Gedenkstätte im Gremberger Wäldchen. 75 sowjetische Zwangsarbeiter*innen sind hier noch kurz vor Kriegsende ums Leben gekommen.

Der Krieg, den die Nazis mit dem Überfall auf Polen begannen, war ein Raubkrieg, kein Verhängnis, das vom Himmel gefallen wäre. Er folgte einer rationalen, langfristigen Planung, bei der es um Rohstoffe, Agrarland, Sklavenarbeiter(innen), kurz: um Maximalprofit ging. Der Faschismus war brutalst auf die Spitze getriebener Imperialismus, von dem vor allem die großen Konzerne profitierten (wobei auch für viele Angehörige des deutschen „Herrenvolkes“ etwas abfiel).

Gestapogefängnis in der Arbeitsanstalt in Brauweiler 1938 dienten die Gebäude der Arbeitsanstalt in Brauweiler als Durchgangslager für Juden aus dem Rheinland. Während der Reichspogromnacht 1938 wurden 600 gefangene Juden für einige Tage in Brauweiler inhaftiert, bevor sie nach Dachau deportiert wurden. 1944 wurde in Brauweiler das Gestapokommando Kütter eingerichtet. Hauptopfer des Kommandos waren in erster Linie osteuropäische ZwangsarbeiterInnen sowie Mitglieder verschiedener Widerstandsgruppen. Hierzu gehörten die Gruppe Steinbrück, die in Köln Ehrenfeld Deserteure und ZwangsarbeiterInnen unterstützte, die polnische Heimatarmee Armina Krajowa, Spanienkämpfer, die sich gegen Franko auflehnten, die französischen „ Action Catholique“ und die deutsche Widerstandsgruppe „ Volksfrontkomitee Freies Deutschland“. Mitglieder der Kölner Edelweißpiraten, Jugendliche die sich der Hitlerjugend verweigerten, wurden in Brauweiler verhört, gefoltert und inhaftiert und wurden teilweise von hier aus in Jugendkonzentrationslager deportiert. Viele der Häftlinge wurden in Brauweiler gefoltert, viele starben an den unmenschlichen Lebensbedingungen, begannen Suizid oder wurden zur Exekution nach Köln geschickt. Auch in Brauweiler selbst fanden willkürliche Ermordungen statt, so wurden beispielsweise zwei junge Osteuropäische Zwangsarbeiterinnen noch im selben Jahr in Brauweiler erschossen.

Begründet wurden Mord und Terror aber anders: Antikommunismus, Antisemitismus (beides zusammengefasst im Bild des „jüdischen Bolschewismus“), Hass gegen Slawen waren die ideologischen Versatzstücke, die den Mord an 6 Millionen jüdischer Deutscher, 5,6 Millionen polnischer Menschen, etwa 25 Millionen sowjetischer Bürgerinen und Bürger und unzähligen Menschen anderer Nationalitäten ermöglichten. Ich schreibe bewusst „Mord“, denn auch diejenigen, die im Krieg „gefallen“ sind, wurden Mordopfer des Hiterfaschismus. Einige Tausend dieser Opfer starben in Köln (meist als Zwangsarbeiterinnen Zwangsarbeiter) und wurden beispielsweise auf dem Westfriedhof beerdigt.

Am Mahnmal am Hansaring und dem Gedenkstein, der sieben Personen gedenkt, die während der NS-Zeit von der Gestapo im Klingelpütz ermordet wurden, findet alljährlich die Kundgebung der Kölner VVN-BdA zum Tag der Befreiung statt. Auch beim diesjährigen dezentralen Gedenken fanden sich über den ganzen Tag verteilt Gruppen und Einzelpersonen dort ein um Blumen und Kränze niederzulegen und den Opfern des Faschismus zu gedenken.

75 Jahre nachdem die Truppen der Alliierten sowie Partisaninnen und Partisanen in vielen von den Faschisten besetzten Ländern Europa befreit haben, wofür auch und gerade wir Deutschen ewig dankbar sein müssen, kommt allerdings der Eindruck auf, das es mit der Dankbarkeit so weit nicht her sein kann. Nicht nur, das vor gut 20 Jahren Deutschland als NATO-Mitglied wieder einmal Belgrad bombardierte, es geht, ideologisch, politisch und militärisch auch heute wieder gegen Russland. Moskau wurde durch die NATO militärisch eingekreist, NATO-Truppen stehen direkt an seinen Grenzen.

Diese Politik der Aufrüstung auf allen Feldern gegenüber Russland ist nicht nur aus historischen Gründen eine Schande für unser Land, sie ist auch brandgefährlich und kostet bereits heute Menschenleben. Jeder Euro und jeder Cent, die in die Rüstung gesteckt werden, stehen für Bildung, für bezahlbare Wohnungen, für Krankenhäuser und Pflegeheime nicht mehr zur Verfügung. Sie fehlen selbst einem so reichen Land wie der Bundesrepublik Deutschland, gerade in Zeiten einer weltweiten gesundheitlichen Krise.

Messegebäude, Messegelände und der anschliessende Bereich waren während des Zweiten Weltkrieges ein zentraler Ort der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Köln. Hier befand sich eine Reihe von Lagern. Ein Aussenlager des KZ-Buchenwald, Lager für Kriegsgefangene sowie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, ein Sonderlager der Gestapo für deutsche und ausländische Häftlinge. Von hier aus gingen die Transporte in die Konzentrationslager ab und 1940 wurden Sinti und Roma sowie zwischen 1941 und 1944 Juden deportiert. Hunderte kamen in den Lagern und bei Arbeitseinsätzen ums Leben. Tausende Männer, Frauen und Kinder wurden von hier aus in den Tod geschickt.

Der 8. Mai 2020 verpflichtet uns deshalb, für eine andere, eine Friedenspolitik gegenüber Russland einzutreten – in unser aller Interesse. Ein Ausstieg aus der nuklearen Teilhabe und damit der Abzug der US-Atomraketen könnte ein Anfang sein.

 

 

 

Wir danken allen Personen, die sich am Gedenken zum 8.Mai beteiligt haben. Vielen Dank auch für die zahlreichen Bilder, die uns von verschiedenen Personen und Organisationen zu geschickt worden sind. Eine kleine Auswahl ist im Artikel bereits zu sehen, weitere können in unserer Galerie angeschaut werden

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