Finale: Köln im Herbst und Winter 1944

13. Januar 2014

2014 gedenken wir der Menschen, die in Köln Ende 1944 dem zunehmenden Terror der Gestapo ausgesetzt waren. Brutale Haftbedingungen und Folterungen, Hinrichtungen ohne Gerichtsurteil bestimmten die letzten Monate vor der Kapitulation der Nazis.

Aufgrund seiner geografischen Lage, als Verkehrsknotenpunkt und wegen zahlreicher kriegswichtiger Industriebetriebe war Köln im Krieg eine besonders gefährdete Region. Bis zum 31. Juli 1944 hatte es bereits 188 Luftangriffe der Alliierten gegeben. Auch für die Nazis war Köln eine wichtige Stadt, die sie keinesfalls preisgeben wollten.

Köln war Ende 1944 eine Trümmerwüste. Die Infrastruktur, Gas, Wasser, Licht Telefonnetz und Verkehrsverbindungen war über Monate komplett zusammengebrochen, Wohnungen zerstört, ebenso Straßen und Brücken. Lebensmittel waren rationiert, die Bevölkerung weitgehend aus der Frontstadt evakuiert. Doch die in der Stadt verbliebene Bevölkerung rebellierte nicht, die Arbeiterinnen und Arbeiter der Betriebe sabotierten nicht die Kriegsproduktion. Nur einzelne Gruppen und spontane Initiativen organisierten Widerstand und befassten sich mit der Frage, wie es in Köln nach der zu erwartenden Niederlage der NS-Herrschaft weitergehen könnte.

In Reaktion auf den 20. Juli 1944 löste das Reichssicherheits-Hauptamt am 22. August 1944 in ganz Deutschland eine umfassende Verfolgungsaktion „Gewitter“ aus, in deren Verlauf viele ehemalige Mitglieder, Sympathisanten und Funktionäre nahezu aller Parteien der Weimarer Republik verhaftet und auch viele Familienangehörige politischer Gegner als Sippenhäftlinge festgenommen wurden.

Es formierte sich die Kölner Gruppe des „Nationalkomitees Freies Deutschland“, in der 250 Personen unterschiedlicher politischer Herkunft mitarbeiteten. Zuvor bürgerliche Kreise initiierten spontane Aufklärungsaktionen. Jugendliche desertierten vom Westwall, wo sie zum Schanzen eingesetzt waren. Soldaten kehrten nicht mehr aus dem Heimaturlaub an die Front zurück. Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen leisteten Sabotage oder verließen ihre Arbeitsplätze und gingen in den Untergrund der Ruinen und Keller. In Ehrenfeld trafen sie auf jugendliche Edelweißpiraten, die sich keinen Zwängen mehr beugen wollten. Es kam zu Erschießungen einzelner Nazifunktionäre, zu Plünderungen und Diebstählen, um die Untergetauchten mit Lebensmitteln zu versorgen. Die Gestapo schlug mit Wucht zurück, witterte überall kommunistische Verschwörungen. Zwei öffentliche Hinrichtungen in Ehrenfeld belegen ihre Absicht zur demonstrativen und sofortigen Auslöschung aller, die Widerstand leisteten.

Indem wir die Ereignisse und Persönlichkeiten dieser mörderischen Monate des NS-Terrors 1944 in Köln nachzeichnen, wollen wir an die Menschen erinnern, die sich voller Hoffnung dem Naziterror entgegenstellten, an alle Opfer, aus welchen Gründen sie auch verfolgt, erniedrigt und ermordet wurden.

Der Schwur der Überlebenden des KZ Buchenwald: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“ hat auch heute nichts an Aktualität verloren. Wir sind aufgefordert, einen Beitrag zu leisten, dass Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Glauben, ihren Lebensumständen gewaltfrei, anerkannt und ökonomisch abgesichert in Köln leben können. Das gilt auch für die, die zu uns kommen, weil sie in ihrer Heimat Hunger und Krieg ausgesetzt sind.

Erinnern - Eine Brücke in die Zukunft
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Gedenkveranstaltung am 10. November in Ehrenfeld

27. Oktober 2013

Am 10. November jährt sich zum 69. Mal der Tag, an dem an der Bartholomäus-Schink-Straße, der ehemaligen Hüttenstraße, 13 Menschen, darunter einige Ehrenfelder Edelweißpiraten, ohne Gerichtsurteil und öffentlich vor über 400 Zuschauern von Helfern des NS-Regimes exekutiert wurden. Zugleich soll der Pogromnacht am 9. November 1938 und der Ermordung von 11 Zwangsarbeitern am 25. Oktober 1944 gedacht werden.

Treffpunkt Körnerstraße in Ehrenfeld (an der ehemaligen Synagoge), 18 Uhr

Ab 19 Uhr Beginn der Gedenkveranstaltung an der Bartholomäus-Schink-Straße/Ecke Schönsteinstraße vor der Gedenktafel

Jahresabschlusstreffen 2013

27. Oktober 2013

Für den 7. Dezember 2013 möchten wir wieder alle Mitglieder und Freunde zu einem gemütlichen Nachmittag mit Kaffee und Kuchen und auch Herzhaftem einladen.

Ab 15 Uhr im Bürgerzentrum Nippes, Turmstraße 3

Im kulturellen Teil wird es auch in diesem Jahr einen Vortrag von Claudia Wörmann-Adam geben unter dem Titel:

Vom Paradies in die Hölle – Deutschsprachige Intellektuelle im südfranzösischen Exil

Les Milles

Les Milles

Die Provence und hier speziell das idyllische Sanary sur mer wurde zur vorübergehenden Heimat vieler deutschsprachiger Intellektueller und Künstler, die in der Nazizeit emigrieren mussten: Heinrich und Thomas Mann mit ihren Familien, Lion und Martha Feuchtwanger, Franz Werfel, Walter Mehring, Friedrich Wolf, Max Ernst, um nur einige wenige zu nennen. Das „Paradies“ (Zitat Ludwig Marcuse) war nur vorübergehend. Viele von den Emigrant/innen fanden sich später in der „Hölle“ (Zitat L. Feuchtwanger) von Les Milles einem Internierungslager bei Aix en Provence wieder. Diesem bedeutenden Teil der Exilgeschichte ist der Vortrag gewidmet

Euer Kreisvorstand

Nach der Wahl ist vor der Wahl

geschrieben von (hma)

27. Oktober 2013

Daß die neofaschistische NPD bei der Bundestagswahl am 22.September in Köln 4942 Erststimmen und damit 0,95% erzielte, ist überraschend. Überraschend, weil die Kölner NPD seit Jahren kaum aktiv ist. Auch Wahlplakate der NPD waren eher die Ausnahme. In einzelnen Stimmbezirken u.a. im Kölner Osten gab es gar Erststimmenergebnisse der NPD von um die 2%. Zweitstimmen erhielt die NPD in Köln etwa ein Drittel weniger. Mit 0,64 % und immerhin noch 3331 Stimmen blieb die NPD in Köln hinter ihrem NRW-Ergebnis von 1 %.

Mit lediglich 59 Stimmen zeigt die rechts von der NPD gegründete Partei „Die Rechte“, dass sie in Köln noch keine Verankerung besitzt. Auch für die sog. „Republikaner“, die nur mit wenigen Wahlplakaten vertreten waren, dürfte ein Zweitstimmenergebnis von lediglich 0,1 % und 495 Wählern eines der schlechtesten bislang gewesen sein.

Der Traum von „Pro Deutschland“, von dem hohen Ergebnis von „Pro Köln“ bei der letzten Kommunalwahl profitieren zu können, dürfte mit 0,27 % und 1387 Zweitstimmen erst einmal ausgeträumt sein. Ohne Unterstützung von „Pro Köln“ und mit drei lächerlichen Mini-Wahlkundgebungen in der Stadt stand „Pro Deutschland“ von vorneherein auf verlorenem Posten.

Ganz anders die sog. „Alternative für Deutschland“ (AfD). Mit 18387 Zweitstimmen und 3,54 % blieb die AfD in Köln zwar unter ihrem NRW-Ergebnis von 3,9 %, aber für einen Einzug ins Europarlament im kommenden Jahr dürfte dieses Ergebnis reichen. Ihre höchsten Zweitstimmenergebnisse erzielte die AfD in den Kölner Bezirken Porz (4,8 %), Kalk und Mülheim (jeweils 4 %). Im Bezirk Porz, wo die AfD während des Wahlkampfes recht aktiv war, erhielt die AfD ihre höchsten Ergebnisse in Wahn und Grengel (jeweils 6,2%) sowie in Lind (5,9%). Im Bezirk Kalk hatte die AfD mit 4,5% ihr bestes Ergebnis in Humboldt/Gremberg. Hier verfügt auch „Pro Köln“ immer über ein starkes Wählerpotential. Im Bezirk Mülheim erzielte die AfD ihre besten Ergebnisse in Holweide (4,9%) und Stammheim (4,5%). Im Bezirk Chorweiler ragt Merkenich mit einem AfD-Ergebnis von 5,4 % heraus.

In Köln fand übrigens einen Tag vor der Wahl die Schlusskundgebung der AfD in NRW statt. Auf dem gutbesuchten Alter Markt hatten sich zahlreiche Mitglieder und Sympathisanten der AfD eingefunden.

Nobile will „Bürgerwehr“ gründen

geschrieben von (hma)

27. Oktober 2013

Ende September rief Sebastian Nobile, 1979 geborener Gärtner aus dem Kölner Umland, auf der rassistischen Internetseite „PI-News“ und auf seinem eigenen Internetblog „lautschriften.wordpress.com“ zur Gründung von „Bürgerwehren in allen deutschen Städten“ auf. In Köln selbst habe die Gründung bereits begonnen. Nobile, der für die Islamhasser von der „German Defense League“ (GDL) aktiv ist und auf Kundgebungen von „Pro Köln“ gesprochen hatte, kandidierte bei der Bundestagswahl für die selbsternannte „Bürgerbewegung pro Deutschland“. Wenn man es in der eigenen Stadt schaffen würde, einen „Trupp von fünf Mann“ aufzustellen, der, so Nobile, „vielleicht einmal die Woche einige Stunden an den Brennpunkten patrouilliert, eingreift, die Polizei ruft und erste Hilfe leistet, dann bestehe die Chance, etwas zu erreichen“. Zudem gebe es „ja einige legale Waffen, die man mitführen“ dürfe, so Nobile, und nennt u.a. einen „schweren Gehstock mit Messingknauf“, Pfefferspray, „Messer mit einer Klinge unter 12 cm“ oder einen Rottweiler. Aber auch mit Kampfsport oder nur einem Handy lasse sich schon viel bewirken. Man müsse sich aber bewusst sein, weiß Nobile, „daß die Bildung einer solchen Bürgerwehr ein Risiko darstellt. Aber ein Risiko, das es wert ist, eingegangen zu werden!“.

Entscheidung über Prozess gegen Dogan Akhanli vertagt

27. Oktober 2013

Für den 4.10.2013 hatte das Gericht in Istanbul eine Entscheidung angekündigt, ob der Prozess gegen Dogan Akhanli wieder aufgerollt wird. Das Gericht hat entschieden, keine Entscheidung zu treffen, sondern hat für den 20.12.13 angekündigt, eine Entscheidung treffen zu wollen. Möglicherweise…

Der Haftbefehl gegen Dogan Akhanli bleibt aber in Kraft, das ist entschieden, aber auch darüber wird am 20.12.13 angeblich noch einmal erneut entschieden.

Das Gericht nimmt sich also die Freiheit, nicht zu entscheiden und hält so Dogan Akhanli weiterhin von der Türkei fern. Deshalb hat der „Angeklagte“ sich heute selber für die Freiheit vom Prozess entschieden.

Hier ist seine Erklärung:

Nach der Aufhebung meines Freispruchs durch den Kassationshof in Ankara hat das Verfahren gegen mich unkorrigierbar einen Kafkaesken Charakter bekommen.

Derselbe Kassationshof, der hinter der Ermordung Hrant Dinks keine Organisation gefunden hat, unterstellt mir erneut, ich sei unter dem Decknamen „DOĞAN K.“ der Kopf einer terroristischen Organisation gewesen, und erwartet von mir, ich solle meine „Hinrichtung“ auch noch mit den Anklägern gemeinsam inszenieren.

Als Literat kenne ich die erschreckende Anpassungsfähigkeit und das tragische Ende von Josef K., des Protagonisten von Kafkas Roman „Der Prozess“. Deshalb bin ich schon am 8.12.2010, dem ersten Prozesstag gegen mich, mit meinem Schweigen und geschützt von der öffentlichen Solidarität dem Kafkaesken Raum entflohen, den die türkische Justiz für mich gemauert hatte.

Nun will das Gericht mich mit aller Macht zurück in diesen Raum zerren. Ich stemme mich dagegen, ich werde nicht zurückkehren. Der türkischen Justiz gilt auch künftig mein Schweigen. Ich bin nicht Kafkas Romanfigur, die sich am Ende ihres „Prozesses“ mit einem Fleischermesser „freiwillig“ hinrichten ließ und doch von jedem Leser wieder neu zum Leben erweckt wird. Ich habe im Unterschied zu einer Romanfigur nur ein einziges Leben. Und ich will dieses Leben nicht in einer Kafkaesken Farce verbringen.

Ich steige aus. Ich werde vor der türkischen Justiz nicht mehr erscheinen, nicht freiwillig, nicht erzwungen. Ich nehme mir damit die Freiheit, die sie mir verweigern will. Ich werde frei sein, aus eigenem Willen.

Ich tue das auch deshalb, weil „mein“ Prozess menschenrechtlich und politisch betrachtet ein Teil der zahlreichen ungerechten Prozesse ist, die in der Türkei mit lärmender Willkür und Arroganz eröffnet, durchgeführt und beendet werden. Ich weiß mich mit meiner Entscheidung, mich diesem Verfahren zu verweigern, an der Seite derer, die jeweils auf ihre Weise der hoffnungslos unrechtsstaatlichen türkischen Justiz die Stirn bieten.

Das Leben geht weiter – ein Leben mit Musik und Widerstand

geschrieben von BW

27. Oktober 2013

Esther Bejarano ist eine der letzten bekannten Überlebenden des Mädchenorchesters des Konzentrationslagers von Auschwitz. Die 1924 geborene Musikerin und Friedensaktivistin wurde im April 1943 in das Konzentrationslager deportiert. Das Mädchenorchester von Auschwitz, in dem Esther Bejarano fortan Akkordeon spielte, hatte die Aufgabe, zum täglichen Marsch der Arbeitskolonnen durch das Lagertor aufzuspielen. Auf einem Todesmarsch 1945 konnte sie fliehen. Sie wanderte nach Palästina aus und kehrte 15 Jahre später nach Deutschland zurück.

Am 13. September trug sich Esther Bejarano in das Goldene Buch der Stadt Köln ein. Oberbürgermeister Roters würdigte sie in einer sehr persönlich gehaltene Rede und erinnerte daran, dass sich Esther Bejarano seit vielen Jahren gegen Rechtsradikalismus engagiert und insbesondere Jugendliche über die Zeit des Nationalsozialismus aufklärt. Darum geht es auch in ihrem aktuellen Projekt, bei dem sie zusammen mit der deutsch-türkisch-italienischen Rapgruppe „Microphone Mafia“ aus Köln Musik macht.

Esther Bejarano und die Microphone Mafia tragen sich in das goldene Buch der Stadt Köln ein

Esther Bejarano und die Microphone Mafia tragen sich in das goldene Buch der Stadt Köln ein

Am Abend hatte Esther Bejarano dann ihren zweiten großen Auftritt, dieses Mal in der Lutherkirche in der Südstadt. Dort gab es wieder einmal eines der beliebten Konzerte mit den beiden Kölner Rappern von der Microphone Mafia. Den letzten Auftritt in Köln gab es am 8. Mai 2010 (und ein weiterer gemeinsamer Auftritt vor zwei Jahren fand leider aus gesundheitlichen Gründen ohne Bejarano statt). Und die etwa 100 ZuschauerInnen wurden nicht enttäuscht: In der ersten Hälfte des Abends las Bejarano aus ihrer Autobiographie vor. Spätestens hier wurde einem bewusst, was für ein bewegtes (und bewegendes) Leben diese Frau hinter sich hat – und auch mit was für einem Mut sie sich den Faschisten immer wieder entgegenstellte, etwa als sie in einer Fabrik, in der sie zur Zwangsarbeit verpflichtet wurde, die Produktion von Bauteilen für die Kriegsmaschinerie sabotierte.

Eintrag in das goldene Buch der Stadt Köln

Eintrag in das goldene Buch der Stadt Köln

Danach ließ Bejarano mit dem Rapduo und ihrem Sohn Joram Bejarano dann gesungene statt geschriebene Worte sprechen. Dabei wurden sowohl alte Lieder vom ersten gemeinsamen Album „Per La Vita“ (2009) als auch vom im Frühjahr erschienenen Nachfolgeralbum „La Vita Continua“ (2013) gespielt. Das Repertoire reicht von jiddischen Liedern über türkische Klänge und französische Antikriegslieder bis zu wohlbekannten Klassikern wie „Bella Ciao“ und „Bandiera Rossa“. Sie alle eint dennoch eines: Es sind Lieder, die vom Widerstand gegen Unmenschlichkeit in all ihren Formen handeln. Es versteht sich von selbst, dass bei diesem „Heimspiel“ der Microphone Mafia auch ihre Version des Höhner-Songs „Wann jeiht d’r Himmel widder op“ nicht fehlen durfte – schließlich wollten Kutlu und Rossi ja das Publikum zum Mitsingen animieren. Überhaupt waren die beiden in guter Stimmung und zeigten sich sehr gesprächig. Man sieht ihnen den Spaß und das Herzblut an und vor allem den großen Respekt und die Bewunderung, die sie für Esther Bejarano empfinden. Und auch der scheint es zu gefallen: Ein drittes gemeinsames Album ist wohl alles andere als unwahrscheinlich.

Unterbringung von Flüchtlingen in den Kommunen

27. Oktober 2013

Es geht um die Menschenwürde – sie ist unteilbar

Im September 2013 hat die Stadt Köln 325 neu zugezogene Flüchtlinge kurzfristig untergebracht. Bereits vor zwei Jahren war diese Entwicklung absehbar, getan hat die Verwaltung aber nicht viel. 2672 Flüchtlinge leben in Köln, 1000 mehr als 2009, dem Tiefstand der Flüchtlingsunterbringung. Dass vor der weitgehenden Einschränkung des Asylrechts ein Vielfaches von Flüchtlingen in der Bundesrepublik lebten, wird immer wieder verschwiegen. Das müsste aber eigentlich der Maßstab und die Orientierung des politischen Handels sein. Denn wir reden über eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen – von einklagbaren Menschenrechten –, ein Thema, mit dem sich die Verwaltungen auf kommunaler und Landesebene seit 1945 eigentlich ganz gut auskennen. (Eventuelle Tabelle der Flüchtlinge seit 1945)

Beispiel für Unterbringung in Wohncontainern, die durch geschlossene Wohneinheiten für mehr Privatsphäre sorgen als die üblichen Massenunterkünfte, leider von der Stadt Köln aber nicht geordert wurden

Beispiel für Unterbringung in Wohncontainern, die durch geschlossene Wohneinheiten für mehr Privatsphäre sorgen als die üblichen Massenunterkünfte, leider von der Stadt Köln aber nicht geordert wurden

Von den Kölner Flüchtlingen leben 1735 in Wohnheimen, 580 in Hotel- oder Pensionsbetrieben und 147 in den beiden Erstaufnahmeeinrichtungen in der Herkulesstr. und der Vorgebirgsstraße. Die Verwaltung plant nun, die Einrichtung in der Herkulesstr. auf 450 Plätze zu erhöhen. (1) Das ist eine „Massenunterkunft“, kritisierte der Kölner Stadt-Anzeiger zu Recht diese Planungen. Dabei sollen die drei Stockwerke der ehemaligen TÜV-Immoblie auf 3 x 70 Personen ausgebaut werden und auf dem Gelände sollen 4 Containereinheiten für je 60 Personen errichtet werden. Macht zusammen 450 Personen.

Die Ratsfraktion der LINKEN kritisierte diese Planungen heftig: „Das ist eine Katastrophe! Unter der rot-grünen Ratsmehrheit entstehen in der Kölner Flüchtlingspolitik Verhältnisse, wie zurzeit der schwarz-gelben Ausgrenzungspolitik in der Verantwortung von Herrn Dr. Bietmann (CDU).

Die Verwaltung bringt die Flüchtlinge in billigen Massenunterkünften unter unmenschlichen Bedingungen unter. Nicht einmal das Niveau, das mit guten mobilen Wohneinheiten möglich wäre, erfüllen die Container, die die Verwaltung einsetzen will. Diese Container werden weder Sanitär- noch Kochgelegenheiten haben.“ (2)

Die örtliche Presse griff diese Kritik auf und schrieb:

„Der CDU-Fraktionschef Rolf Bietmann war bis 2003 der mächtigste Mann im Stadtrat. Als 2001 in Kalk ein Container-Dorf für Flüchtlinge eingerichtet worden war, brauste ein Sturm der Entrüstung durch die Stadt.

Die heute regierenden Parteien SPD und Grüne warfen zusammen mit vielen Hilfsorganisationen der Ratsmehrheit von CDU und FDP sowie der Stadtverwaltung vor, Flüchtlinge „menschenunwürdig“ zu behandeln. SPD-Parteichef Jochen Ott kritisierte die zentrale Unterbringung von Hunderten Flüchtlingen. Das Container-Dorf, in dem zeitweise 300 Menschen lebten, wurde zum Symbol einer fehlgeleiteten Flüchtlingspolitik.

Die Kritik zeigte Wirkung: Die Vertreter der damaligen politischen Mehrheit fühlten sich zum Ortstermin gezwungen und äußerten sich überrascht über das, was sie mitzuverantworten hatten. Bietmann kündigte eine Wende in der Flüchtlingspolitik an. ,Wir haben gelernt´, gab ein FDP-Sozialpolitiker gar zu Protokoll.“ (3)

Aus der damaligen katastrophalen Unterbringung der Flüchtlinge waren Konsequenzen gezogen worden. Mit großen Mehrheit hatte der Rat die Leitlinien zur dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen beschlossen und einen runden Tisch eingesetzt. Mit ihren jetzigen Plänen verstößt die Verwaltung eklatant gegen diese Richtlinien. Das ist schlimm genug. Die Verwaltung hat weder ein Konzept, wie sie langfristig aus der Lage wieder herauskommen will, noch Grundsätze, wie sie aktuell die Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen kann.

So kündigte die Verwaltung in einer Presseerklärung an, neben der Massenunterkunft von 450 Personen in der Herkulesstr. auch „befristete Wohncontaineranlagen für Flüchtlinge“ über das ganze Stadtgebiet aufzubauen, die „voraussichtlich (auf) 100 Personen begrenzt werden, Sanitär- und Kochgelegenheiten müssen separat von den Wohncontainern errichtet werden.“

Das ist eine Politik der „Verordneten Verwahrlosung“, wenn Flüchtlinge nicht menschenwürdig untergebracht werden.

Die Ratsfraktion DIE LINKE hat die Verwaltung darauf aufmerksam gemacht, dass es sehr wohl qualitativ hochwertige Containerwohnanlagen gibt, mit Sanitär und Kocheinheiten und einem äußeren Erscheinungsbild, das nicht an Container erinnert. (4)

Der Kölner Flüchtlingsrat kritisiert die Politik der Stadtverwaltung ebenfalls heftig:

Gerade für besonders schutzbedürftige Personengruppen wie für Kinder, Kranke oder alte Menschen ist das Leben im Container unzumutbar. Eine kurz befristete Unterbringung wäre vielleicht noch hinnehmbar. Aber die Stadt hat weiterhin kein mittel- und langfristiges Konzept für die Unterbringung in festen Einrichtungen mit abgeschlossenen Wohneinheiten. … Auch hierbei sieht der Flüchtlingsrat einen eklatanten Verstoß gegen die „Leitlinien“.

Claus Ulrich Prölß vom Flüchtlingsrat fordert ein Umdenken: „Die Sitzung des Runden Tisches für Flüchtlingsfragen am 18.10.2013 kann zu einer Zerreißprobe für das Gremium werden. Der Runde Tisch muss sich mutig gegen diese fatale Entwicklung stemmen und humanitäre Standards bei der Flüchtlingsunterbringung einfordern. Es geht um die Menschenwürde – sie ist unteilbar.“ (5)

Jörg Detjen

Quellen:

1 Presseerklärung der Stadt Köln vom 9.10.2013
www.stadt-koeln.de/1/presseservice/mitteilungen/2013/08746/

2 Presseerklärung der Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt Köln, vom 9.10.2013

3 Kölner Stadt Anzeiger, 10.10.2013

4 Material kann über Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt Köln angefordert werden:
dielinke.-fraktion@stadt-koeln.de

5 Presseerklärung des Kölner Flüchtlingsrat vom 9.10.2013

Alternative für Deutschland – ein Sammelbecken für Reaktionäre

geschrieben von tri

27. Oktober 2013

Über die „Alternative für Deutschland“, die rechten Euro-Rebellen, die nur knapp den Einzug in den Bundestag verfehlten, gibt es außer Zeitschriften- und Zeitungsartikeln sowie Beiträgen im Internet, so gut wie keine ernsthaften Untersuchungen. Das Buch „Rechte Euro-Rebellion“ des Münsteraner Wissenschaftlers Andreas Kemper war deshalb der Grund für den „Arbeitskreis Antifaschismus/Antidiskriminierung“ bei ver.di und die Kölner VVN-BdA am 5. September, im Vorfeld der Bundestagswahlen, Kemper zu einem Vortrag ins DGB-Haus einzuladen.

„Keine Alternative für Deutschland! – Zu den politischen Hintergründen der Alternative für Deutschland“ hieß das Thema, das fast 40 Menschen interessierte. Kemper berichtete in seinem Beitrag von den beiden Gründungsströmungen der AfD, den in der Wolle gefärbten Konservativen, die schon seit mehr als 10 Jahren ihre rechte Ideologie unters Volk bringen und den neoliberalen Hardlinern in der Tradition des österreichischen Wirtschaftswissenschaftlers August von Hayek, die den Ökonomenflügel der neuen Partei stellen. Nach Meinung des Referenten wurde diese Partei nicht wie andere Parteineugründungen vor ihr, gegründet und von unten nach oben aufgebaut, sondern umgekehrt von der Spitze um den Vorsitzenden Bernd Lucke installiert. Ein demokratischer Parteiaufbau, bei dem die Mitglieder über Inhalte und Programme entschieden, sähe jedenfalls anders aus.

Die Demokratie scheint für die ideologischen Stichwortgeber und die politischen Köpfe der AfD, denen u.a. die volle Sympathie und Unterstützung der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit gehört, ohnehin nicht die Herrschaftsform ihrer Wahl zu sein. Deshalb propagieren sie Staatsmodelle, die scheinbar mehr direkte Demokratie ermöglichen, in Wirklichkeit aber die Position direkt gewählter Exekutivrepräsentanten gegenüber der der Parlamentarier(innen) stärkt. Kemper bezeichnete das als bonapartistisches Herrschaftsmodell und verwies auf den Slogan der radikalen Neoliberalen „Freiheit statt Demokratie“. Besondere Erwähnung fanden in seinem Beitrag die Vertreter(innen) der nach dem 2. Weltkrieg im Zuge der Bodenreform in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone enteigneten ostelbischen Adligen und Großgrundbesitzer, die sich ebenfalls in der AfD tummeln.

Alles in allem ein interessanter und informativer Abend, der lediglich unter der einstündigen Verspätung des Referenten litt, die etwa die Hälfte der Zuhörer(innen) veranlasst hatte, die Veranstaltung bereits vor ihrem Beginn zu verlassen. Sie hätten wahrscheinlich mehr Geduld nicht bereut.

 

Rechte Euro-Rebellion

Das Buch von Andreas Kemper ist erschienen in der edition assemblage, Reihe Antifaschistische Politik, Bd. 9 zum Preis von 9,80 Euro, ISBN 978-3-942885-49-2

„Keine Alternative für Deutschland!“

9. August 2013

Zu den politischen Hintergründen der „Alternative für Deutschland“ (AfD)

Scheinbar aus dem Nichts entstanden, sorgt die AfD als neue rechte Partei für Schlagzeilen. Mit ihrem dürftigen Wahlprogramm tritt sie nach außen als Einpunktbewegung gegen die Euro-Politik der Bundesregierung an. Tatsächlich ist die AfD aber lange vor den Debatten um ,Europäische Schutzschirme‘ geplant worden. Deren Volkswirtschaftsprofessoren hatten bereits 2005 nach den Hartz-IV-Gesetzen weitere Einschnitte ins soziale Netz gefordert.

Auch in der Bildungs-, Familienund Einwanderungspolitik scheint die AfD sozial ausgrenzende Positionen zu beziehen. Zusammen mit

dem rechtskonservativen Netzwerk Zivile Koalition / BürgerKonvent fordern sie unternehmergerechte „Reformen der politischen Entscheidungsstruktur“.

Während Vertreter der AfD vor kurzem noch die Abschaffung des Wahlrechts für Arbeitslose oder gleich des ganzen Parlamentes forderten, sehen sie aktuell in der ,Direkten Demokratie‘ eine elegantere Möglichkeit, sozialselektive Demokratie umzusetzen.

Unser Referent Andreas Kemper ist Autor eines aktuellen Buches zur AfD (Rechte Euro-Rebellion) und forscht und publiziert zu den Themen Klassendiskriminierung, organisierter Antifeminismus und Sarrazin. Über die Entstehungsgeschichte und die politischen Forderungen der AfD sowie den Umgang damit kann nach dem Vortrag diskutiert werden.

Donnerstag, 5. September 2013, 19.00 Uhr, Großer Saal, DGB-Haus, Hans-Böckler-Platz

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