29. April 2014
Das Zuchthaus Brandenburg-Görden
Als Musteranstalt eines humanen Strafvollzugs in der Weimarer Republik konzipiert, wurde das Zuchthaus Brandenburg-Görden 1935 fertiggestellt. Von 1940 bis 1945 war das Zuchthaus eine der großen Hinrichtungsstätten des NS-Regimes. Bis 1940 stieg hier der Anteil der politischen Häftlinge auf etwa die Hälfte an. Mindestens 1798 antifaschistische Widerstandskämpfer aus allen Teilen Europas wurden in Brandenburg-Görden hingerichtet. Die Häftlinge arbeiteten unter schwersten Bedingungen, ab 1939 vor allem für die Rüstungsproduktion. Es herrschten Unterernährung, Krankheiten, Schikanen und Misshandlungen: allein 440 Gefangene starben an Tbc. Im 1986 von ehemaligen politischen Gefangenen des Zuchthauses veröffentlichten „Ehrenbuch“ für die in Brandenburg-Görden umgekommenen Antifaschisten finden sich auch 27 Kölner:
Der am 3. Mai 1904 in Köln-Dellbrück geborene Hermann Nagelschmidt hatte zuletzt als Betriebsarbeiter bei der Reichsbahn gearbeitet. Zuletzt wohnte er auf der „Gretenstr. 3“ (gemeint ist wohl die Grethenstr. 3 in Köln-Longerich). Nagelschmidt wurde am 07.09.1944 wegen „Feindbegünstigung“ zum Tode verurteilt. Er hatte 1943/44 10 französischen Kriegsgefangenen bei der Flucht geholfen. Das Urteil wurde am 24.10.1944 vollstreckt.
Der am 10.4.1897 in Köln geborene Josef Strucken hatte als kaufmännischer Revisor gearbeitet. Sein letzter Wohnort war Jannadar im Kreis Weißensee. Strucken wurde wegen „Wehrkraftzersetzung“ verurteilt und am 26.02.1945 in Brandenburg-Görden hingerichtet.
Den am 02.06.1902 in Köln geborenen Paul Johannzen hatte es als Bus- und Kraftfahrer ins hessische Wiesbaden verschlagen. Das KPD- und RGO-Mitglied wurde aus politischen Gründen im April 1933 von den Wiesbadener Stadtwerken entlassen. 1934 wird Johannzen zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Am 10.06.1943 wird er aufgrund einer Denunziation erneut verhaftet und wegen der Verbreitung ausländischer Rundfunknachrichten zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. Reichsanwalt Parisius erhob Einspruch gegen das Urteil. In einem neuen Verfahren wird Johannzen zum Tode verurteilt und am 08.01.1945 hingerichtet.
Der am 29. April 1899 in Köln geborene Albert Brust war zuletzt als Schlosser in der Rüstungsschmiede Rheinmetall-Borsig in Berlin tätig. Dort war er in einer kommunistischen Widerstandgruppe aktiv. Brust wurde verhaftet und wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ am 25.07.1944 zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 25.September gleichen Jahres vollstreckt.
Der 1880 in Witten geborene Paul Reimann war von Beruf Kernmacher. Er lebte zuletzt auf der Euskirchener Str. 17 in Köln-Sülz. Seit Juli 1942 traf sich Reimann regelmäßig mit Gleichgesinnten in Düsseldorf, um gemeinsam ausländische Sender abzuhören, zu diskutieren und Informationen weiterzugeben. Der „marxistische Treff“ flog auf. Reimann und mindestens ein weiterer Mitstreiter aus Düsseldorf wurden wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ und „Feindbegünstigung“ zum Tode verurteilt. Das Todesurteil gegen Reimann wurde am 31.07.1944 vollstreckt.
Hans Strunk wurde am 10.07.1920 in Köln geboren. Zuletzt wohnte der Schlosser in Westerland auf Sylt. Strunk wird wegen „Wehrkraftzersetzung“ angeklagt, zum Tode verurteilt und am 15.11.1943 hingerichtet.
Wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt wurde auch der am 17.07.1898 in Köln geborene Leo Statz. Der Fabrikdirektor wohnte zuletzt in Birresborn in der Eifel. Statz hatte der „Zentrumspartei“ angehört und war als Kritiker des NS-Regimes bekannt. Statz wird 1943 von einem seiner Angestellten denunziert, angeklagt und zum Tode verurteilt. Am 01.11.1943 wird Statz hingerichtet.
Willibald Müller wurde am 08.03.1890 in Köln geboren. Müller, von Beruf Maschinist, wohnte zuletzt in Großobisch im Kreis Glogau-Land. Wegen „mehrfach zersetzender“ Äußerungen wurde ihm 1944 der Prozess gemacht. Am 28.09.1944 wird Müller nach der „Kriegssonderstrafverordnung“ zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 13.11.1944 vollstreckt.
Ebenfalls wegen „zersetzender Äußerungen“ angeklagt wurde der am 26.12.1893 in Köln geborene Schriftsteller Axel Rudolph. Rudolph wohnte zuletzt in Semlin im Westhavelland und war als Autor von Kriminal- und Abenteuerromanen bekannt. Die Nazis schlossen Rudolph aus der Reichsschrifttumskammer aus. Aufgrund einer Denunziation wird er Silvester 1943 verhaftet, angeklagt und zum Tode verurteilt. Am 30.10.1944 wird Rudolph hingerichtet.
Der 1884 in Barmen geborene Wilhelm Schlitt wohnte zuletzt in der Parkstr. 19 in Köln-Marienburg. Der Diplomkaufmann sei ein „wiederholt vorbestrafter Hetzer“, „der sich erneut wehrkraftzersetzend betätigt“ habe, werfen ihm die Nazis vor. Der Prozess endete mit dem Todesurteil. Schlitt wird am 16.10.1944 hingerichtet.
Der Bauingenieur Max Zienow wurde 1891 in Saerbeck bei Münster geboren. Zuletzt wohnte er in der Kirchhofstr. 3 in Köln-Lindenthal. Die Nazis werfen Zienow vor, „sich im September 1943 zersetzend geäußert“ zu haben. Es kommt zum Prozess, der mit dem Todesurteil endet. Das Urteil wurde am 09.10.1944 vollstreckt.
Der Schumacher Heinrich Kaiser wird am 07.07.1900 in Köln geboren. Zuletzt lebte er in dem Ort Schwenten in Schlesien. Kaiser wird vorgeworfen, sich im Sommer 1943 „schwer zersetzend geäußert“ zu haben. Das Gericht verurteilt Kaiser nach der „Kriegssonderstrafverordnung“ zum Tode. Die Hinrichtung erfolgt am 02.10.1944.
Der Angestellte Leo Schneider, geboren am 09.02.1900 in Köln, wohnte zuletzt auf der Leonstr. 6 in Köln-Deutz. 1943 wird Schneider vorgeworfen, sich im „Warthegau“, den die Nazis 1939 im besetzten Polen gegründet hatten, gegenüber „Volksdeutschen“ „schwer defaitistisch geäußert zu haben“. Schneider wird angeklagt und 1944 nach der „Kriegssonderstrafverordnung“ zum Tode verurteilt. Das Urteil wird am 14.08.1944 vollstreckt.
Wegen des gleichen „Deliktes“ muss sich 1944 auch der 1902 in Essen geborene Julius Reimann vor Gericht verantworten. Reimann, der zuletzt am Katharinengraben 76/78 (Altstadt Süd) wohnte, wurde vorgeworfen, sich gegenüber mehreren „Volksgenossen“ im Warthegau „zersetzend geäußert“ zu haben. Auch Reimann wird nach der „Kriegssonderstrafverordnung“ zum Tode verurteilt, das Urteil am 03.07.1944 vollstreckt.
Der 1886 in Gommern geborene Jakob Marmagen war von Beruf Werkmeister und wohnte zuletzt in der „Polinofer Str. 166“ (gemeint ist wohl die Rolshover Str. 166) in Köln-Kalk. Marmagen wird vorgeworfen, „seit längerer Zeit durch hetzerische und zersetzende Redensarten“ auf seine „Arbeitskameraden“ eingewirkt und damit versucht zu haben, „ihre Einsatzbereitschaft und ihre Siegeszuversicht zu untergraben“. Das Gericht verurteilt Marmagen nach der „Kriegssonderstrafverordnung“ zum Tode. Die Hinrichtung wurde am 13.12.1943 durchgeführt.
Der 1879 in Oberfranken geborene Karl Mooskopp wohnte zuletzt auf der Richard-Wagner-Str. 3-4 in Köln. Die Nazis werfen dem Ingenieur vor, seit Kriegsbeginn systematisch ausländische Nachrichtensender abgehört und diese Informationen zu Lageberichten verarbeitet zu haben, die er dann an zahlreiche Personen, darunter Angehörige von deutschen Kriegsgefangenen, verschickt habe. Moos-kopp wird 1943 zum Tode verurteilt, das Urteil am 22.11.1943 vollstreckt.
Der 1895 im niederrheinischen Dülken geborene Karl Schaffhausen war von Beruf Angestellter. Zuletzt wohnte er auf der Roonstr. 47 in Köln. Schaffhausen wurde vorgeworfen, „deutschsprachige Sender des englischen Nachrichtendienstes abgehört“ und „durch Hetzreden Wehrkraftzersetzung betrieben“ zu haben. Das Gericht verurteilt ihn zum Tode. Das Urteil wurde am 15.11.1943 vollstreckt.
Als immer deutlicher wurde, dass Nazideutschland den von ihm begonnenen Krieg verlieren würde, gingen die Behörden und die Militärjustiz mit Terrorurteilen gegen all diejenigen vor, die sich dem Krieg entziehen wollten oder sich ohne Erlaubnis von der Truppe entfernten. Unter den Kölner Toten von Brandenburg-Görden befinden sich auch sechs Männer, denen Desertation zur Last gelegt wurde.
Der Fleischer Alexander Lück, 1920 in Köln geboren, letzter Wohnort war die Formesstr. 86 in Köln-Mülheim (hingerichtet am 17.07.1944), der Schlosser Heinrich Kaltenberg, 1911 in Frechen geboren, letzter Wohnort war die „Weierstr. 3“ in Köln (hingerichtet am 13.03.1944), der Schlosser Joseph Reicherts, 1919 in Köln-Ehrenfeld geboren, letzter Wohnort war Litzmannstadt (hingerichtet am 10.01.1944), der Arbeiter Heinrich Zimmermann, 1913 in Köln geboren, letzter Wohnort war Hamburg (hingerichtet am 21.05.1943), der Maler Johann Stendebach, geboren 1922 in Köln, letzter Wohnort war Eigelstein 119 in Köln (hingerichtet am 06.10.1942) und der Bauarbeiter Wilhelm Schleich, 1915 in Kneutingen/Lothringen geboren, letzter Wohnort war die „Lehrerstr. 48“ in Köln (hingerichtet am 17.09.1942).
Der 1895 in Weyer/Kreis Zabern geborene Fotograf Emil Helmstetter wohnte zuletzt auf der „Bachenstr. 6-8“ in Köln. Helmstetter wurde wegen „Landesverrat“ angeklagt, zum Tode verurteilt und am 26.03.1943 hingerichtet.
Der 1920 in Köln geborene Willi Voss war noch Schüler. Der auf der Prinz-Heinrich-Str. 42 in Köln wohnende Voss wurde wegen „Kriegsverrat“ zum Tode verurteilt, das Urteil am 12.02.1943 vollstreckt.
Wegen des Vorwurfs der „Spionage“ zum Tode verurteilt wurden der Landwirt Franz Petereit, 1908 in Jögsden bei Tilsit geboren, letzter Wohnort war auf der „Arnostr. 2“ in Köln (hingerichtet am 09.01.1943) und der 1902 in Köln geborene Laborant Walter Schönholz, der zuletzt in Düsseldorf wohnte (hingerichtet am 28.03.1942).
Gegenüber dem Eingang des früheren Zuchthauses steht seit 1958 ein Gedenkstein mit dem Flammenemblem der FIR, der „Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer“, und der Inschrift „Für die vom Faschismus ermordeten 1798 Widerstandskämpfer. Ihre Taten waren gute Taten.“
hma