Stolpersteine für Alice und Kurt Bachmann

2. Januar 2022

Am 28. September wurden in der Euskirchener Straße die Stolpersteine für Alice und Kurt Bachmann verlegt. Trotz der frühen Zeit waren viele Menschen gekommen, auch der Sohn Paul Bachmann (hier zusammen mit Gunter Demnig) nahm teil.

Klaus Stein erinnerte in seiner Rede an den kommunistischen Widerstandskämpfer Bachmann, der mehrere KZs überlebte und bis zu seinem Tod unermüdlich gegen alte und neue Faschisten kämpfte, für Menschenrechte, Demokratie und Frieden.

Wir dokumentieren hier die Rede von Klaus Stein:

Euskirchener Straße 21, 50935 Köln Ansprache im Namen der VVN-BdA Köln

Alice Wertheim und Kurt Bachmann, derer mit diesen Stolpersteinen gedacht wird, heiraten am 1. September 1935. Beide stammen aus jüdischen Familien. Sie ist 21 Jahre alt, er 26. Kurt ist Lederarbeiter, Gewerkschafter und seit 1932 Mitglied der KPD. Nach 1933 im Widerstand. Er übernimmt Flugblätter von holländischen Rheinschiffern am Neusser Hafen, sorgt für ihre Verteilung. 1938 emigriert das Paar nach Südfrankreich. Als Kurt 1939 als feindlicher Ausländer von der französischen Polizei verhaftet wird, kann er fliehen, arbeitet in Toulouse im Rahmen der illegalen Leitung der KPD in der Resistance. Bis 1942. „Am 9. September 1942 wurde ich von der Gestapo an die Stelle gebracht, wo die Menschen deportiert wurden. Und alle zwei oder drei Tage wurde ein Zug mit Tausend Menschen gefüllt. Am dritten Tag kam ich zusammen mit meiner Frau in Kosel/Oberschlesien an. Die Türen wurden aufgerissen. Männer raus, zwischen 15 und 55. Wir wurden dann aufgeteilt auf verschiedene Lager. Der Rest des Zuges, Alte und Junge und Frauen, darunter auch meine Frau, fuhren in den Tod. Ich bin ihm entkommen. Der Grund: Die faschistische Armee hatte schwere Verluste. Ich wusste, dass der Krieg nicht ein Blitzkrieg, sondern ein Dauerkrieg würde, der Arbeitssklaven brauchte. Und wir kamen dann in ein Lager, in dem wir arbeiten mussten.“ Alice wird in Auschwitz umgebracht. Wie Kurts Eltern und seine Schwester.

Er selbst durchläuft die Konzentrationslager Johannsdorf, Ratibor, Preiskretscham, Blechhammer und kommt schließlich nach Buchenwald. Nach der Befreiung kehrt er nach Köln zurück. Er gehört hier zu den Gründern der Vereinigten der Verfolgten des Naziregimes (VVN), arbeitet von 1950 bis zum Verbot der KPD im Parteivorstand, dann für die antifaschistische Zeitung „Die Tat“, gehört zu den Initiatioren, als die DKP konstituiert wird, und ist von 1969 bis 1973 ihr erster Bundesvorsitzender. Er verfasst 1978 das Buch „Die Wahrheit über Hitler“, 1983 „Das Jahr 1933“ und schreibt 1987 über den „Tatort Buchenwald“. Heute sei aber auch an das Jahr 1992 erinnert, als in Deutschland 27 Ausländer und Flüchtlinge ermordet werden. Im August setzt ein johlender Mob in Rostock-Lichtenhagen den Wohnblock, in dem Vienamesen unterbracht sind, in Brand. Zu der Zeit ist die Abschaffung des Asylrechts geplant und wird heftig diskutiert. Hier in Köln bildet sich ein breites Bündnis, das anlässlich des 9. November, dem Gedenken an die Reichsprogromnacht, über 20.000 Menschen zu einer Demonstration mobilisiert. Am selben Abend geben die Musiker von „Arsch huh, Zäng ussenander“ ihre legendäres Konzert auf dem Chlodwigplatz. Kurt Bachmann spricht zuvor auf der Kundgebung vor der Oper: »1992 ist nicht 1933. Aber es ist auf dem Weg dahin. Heute brennen täglich Ausländerheime. Junge Neofaschisten sind diesmal die Brandstifter. Was heute auf dem Spiel steht, sind alle Grundrechte unserer Verfassung, konkret das Recht auf politisches Asyl. Noch nie traten Neonazis, Skinheads und ihre Mitläufer so gewalttätig und organisiert auf. Offensichtlich besteht die Gefahr, dass eine bundesweite Befehlsstruktur aus bestehenden neofaschistischen Organisationen entsteht. Die Rechtskonservativen in den Regierungsparteien betreiben eine Politik der Aushöhlung unantastbarer Grundrechte unserer Verfassung. Dabei wird ein Zusammenspiel mit rechtsextremen Kräften sichtbar. Die Übergänge sind fließend. Eine demokratische, antifaschistische Bewegung, die Bündelung all dieser Kräfte – dies ist das Gebot der Stunde.«

Klaus Stein, 28. September 2021