31. Mahnwache „Gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus – Für Toleranz und soziale Gerechtigkeit“ am 13. November 2021 an der Kirche St. Joseph

2. Januar 2022

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Mahnwache wurden von Walborg Schröder, VVN/BdA begrüßt. Wir dokumentieren ihre Rede:

„Ich freue mich, dass ich Sie im Namen der Veranstalter – der VVN-BdA – und des DGB zu unserer traditionellen, nunmehr 31. Mahnwache aus Anlass der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 begrüßen darf. Ich bin als 88-Jährige Bewohnerin in einem Seniorenheim in Kürten von der 1. Mahnwache an jedes Jahr dabei. Der 9. November war das Signal der Nazis zur massenhaften industriellen Vernichtung jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Die Erinnerung, die daran immer wach gehalten werden muss, damit sich so etwas nicht wiederholen kann, hat einen Ort. Hier ganz in der Nähe im ehemaligen Stellawerk, gab es ein „wildes“ KZ der SA, in dem Menschen aus unserer Stadt – Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen – gefangen gehalten, misshandelt und in Konzentrationslager deportiert wurden.. So erinnert eine Gedenktafel an sie. Ich danke der Kirchengemeinde St. Joseph für die Möglichkeit, auf ihrem Gelände dieser Opfer zu gedenken, in der schwierigen Zeit der Corona-Pandemie, die besondere Anforderungen an uns alle stellt.

Wir begrüßen die Redner der heutigen Gedenkveranstaltung: Besonders unseren Bürgermeister Frank Stein, der zu uns sprechen wird. Klara Tuchscherer von der VVN musste, weil von Hochwasserschäden betroffen, leider absagen, an ihrer Stelle spricht der Vorsitzende der VVN/BdA Köln, Peter Trinogga, ihm folgen Dr. Peter Winzen, Historiker, mit Erinnerungen an den Bergisch Gladbacher Sozialdemokraten und Antifaschisten Peter Walterscheid, Kastriot Krasniqi vom Integrationsrat der Stadt und Patrick Graf vom DGB Rhein-Berg. Die musikalische Begleitung übernehmen Friedrich Kullmann & Geo Schaller.

Ich möchte in meinem Beitrag, der allen Opfern der Nazidiktatur gewidmet ist, besonders an die tapferen Frauen und Männer aus Bergisch Gladbach erinnern, die ihr Leben nicht geschont haben und die von den Nazis ins KZ, in die Gefängnisse gesperrt, hingerichtet und in die Emigration getrieben wurden. Ihr Kampf darf nicht umsonst gewesen sein. In dem 1979 von Karl Heinz Schröder herausgegebenem Buch „Antifaschisten aus Bergisch Gladbach berichten“ schildern sie ihre Erinnerungen an das grausame Geschehen, an die schlimme Zeit in der Emigration. Wie der jüdische Journalist Ismar Heilborn, die Kommunisten Hans Kroll, Carl Schlieper und Trautchen Hamacher, die von Heinrich Böll interviewt wurde, über ihre Zeit, die sie in Dunkelhaft im Gefängnis hinter dem Rathaus verbringen musste. Einige Menschen in unserer Stadt kümmern sich rührend um die Stolpersteine für ermordete Jüdinnen und Juden in den verschiedenen Stadtbezirken unserer Stadt. Ein großes Dankeschön! Das ist ein nicht hoch genug einzuschätzendes Bürgerengagement gegen den aufkommenden und verbreiteten Judenhass.

Als Zeitzeugin der Nazidiktatur mache ich mir große Sorgen wegen des Propagierens nazistischen Gedankengutes und hasserfüllter judenfeindlicher Demonstrationen alter und neuer Nazis. Das muss von uns Demokraten im täglichen Leben aktiv bekämpft werden.

Ich freue mich schon darauf, dass ich am 27. Januar – dem zentralen Tag des Gedenkens an die in Auschwitz ermordeten Juden – in die IGP eingeladen worden bin, um als Zeitzeugin mit den Schülerinnen und Schülern über das unmenschliche Naziregime und meine persönlichen Erfahrungen zu sprechen. Aufklärung ist immer und immer wieder erforderlich. Es darf kein Vergessen geben. Mein Vater wurde 1933 als Lehrer entlassen, aus der Schulwohnung geworfen und in der Nazipresse wüst als „jüdisch-bolschewistischer Untermensch“ tituliert. Diesen Zeitungsausschnitt habe ich heute noch. Mein Vater war SPD-Mitglied.

Die bitteren Erfahrungen aus meiner Kindheit mit Faschismus, Krieg, Angst, Hunger, Not und Bomben, dem Verlust von lieben Menschen haben mich und viele meiner Zeitgenossen geprägt, sich für Frieden, gute Nachbarschaft und Freundschaft mit allen Völkern einzutreten. Nie wieder Krieg und Faschismus!“