Kundgebung zum 16. Jahrestag des Nagelbombenanschlags auf die Keupstraße.

20. Juni 2020

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Hört sich nach Routine an, aber das war es nicht. Schon die Eingangssätze der Moderatorin von „Platz für alle/Herkezin Maydanı“ ließ anderes erwarten:

„Heute ist ein besonderer Tag. Heute wurde George Floyd, der von rassistischen Polizisten ermordet wurde, zu Grabe getragen. Heute vor 15 Jahren wurde Ismail Yasar in Nürnberg durch den NSU ermordet. Heute hätte Said Nesar Hashemi seinen 22. Geburtstag gefeiert, der am 19 Februar in Hanau ermordet wurde und heute hat die IG-Keupstraße einen Brief von der Oberbürgermeisterin Henriette Reker zur Verwirklichung des Mahnmals erhalten, der uns hoffnungsvoll stimmt.“

Da war der Bogen gespannt, der die ganze Kundgebung durchzog: George Floyd, Ismail Yasar, Said Nesar Hashemi und das Mahnmal – Gedenkort, Begegnungsort, Erinnerungsort und, wie ihn die Rednerin der Migrantifa sinngemäß umschrieb, ein Ort an dem wir uns nicht erklären müssen – nicht wer wir sind, nicht woher wir kommen und nicht dass es Rassismus gibt.

FOTOS: KLAUS MüLLER, CREATIVE COMMONS LIZENZ CC BY-SA 4.0

Weil es auch hätte Routine werden können, waren 50 Teilnehmer*innen angemeldet. Schon dass 500/600 gekommen waren, verdeutlichte die Aktualität und Spannung, die die Veranstaltung prägte. Am Wochenende hatten sich Tausende mit hunderten von Protestschildern zu zwei großen Kundgebungen anlässlich der Ermordung George Floyds in Deutz und auf dem Neumarkt versammelt. Rassismus darf nie mehr kein Thema sein – Rassismus vergiftet, verletzt, tötet – erzeugt Ungleichheiten und Privilegien, die von den einen Privilegierten stillschweigend geduldet und genossen und von anderen durch Hass und Mord verteidigt werden.

Und der Staat verteidigt mit. Redner*innen verweisen auf Racial Profiling und institutionellen Rassismus bei der Polizei. Die wütende Abwehr der Privilegierten auf eine entsprechende Äußerung der SPD-Vorsitzenden legt die Fronten offen.

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Bewegend, der Auftritt des Vaters von Amed Ahmad, der am 17. September 2018 infolge eines Brandes in der JVA Kleve gestorben war. Seine Anklage und Trauer drückte er auch durch das poetische Bild aus: so wie wir uns an den Farben des Frühlings erfreuen, freut uns auch die Farbigkeit der Menschen. Sein Rechtsanwalt Eberhard Reinecke erklärte, wenn nur einer von 10 mit dem Fall befassten Beamten einen Klick von 30 Sekunden getätigt hätte, dann wäre die Verwechslung aufgefallen – und Amed würde noch leben. Aber das war ihnen ein inhaftierter Migrant nicht wert.

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Die Veranstaltung und alle Kundgebungen an diesem Wochenende haben gezeigt: im Kampf gegen Rassismus haben Geduld und Ungeduld beide ihre powervolle Berechtigung – und die Veranstaltung in Mülheim und die bisherige Geschichte sind ein Hinweis darauf: politische Vertreter*innen von SPD und Linken und die Anti- und Migrantifa, „IGs, IRs und Inis“ müssen sich nicht lieben, wenn sie sich jedoch in ihrer Art des Antirassismus respektieren, kann das zur Verwirklichung der beiderseitigen und gemeinsamen Ziele wie auch zu Realisierung eines gemeinsamen von Schwierigkeiten begleiteten Projekts, wie dem Mahnmal, beitragen.

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*Bei den Kundgebungen der letzten 4 Tage darf nicht unerwähnt bleiben, dass am Sonntagmorgen der Einmarsch der AfD-Mitglieder zu ihrer Kommunalwahlversammlung durch 150 Demonstranten gestört wurde, die deutlich gemacht haben –bequem sollen Rassisten es in Köln nie haben.

pb