Gedenktag 27. Januar 2015

18. Januar 2015

Kultur in Trümmern

Gedenktag 27. Januar 2015, 17.30 Uhr, in der Antoniterkirche:

2015 lenkt die Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Diktatur den Blick auf diejenigen Kölnerinnen und Kölner, die als Kulturschaffende in ihrer künstlerischen Produktivität gehindert, ins Exil oder in den Tod getrieben wurden und erinnert an die Schwierigkeit eines kulturellen Neuanfangs nach dem Nationalsozialismus. Nach der Veranstaltung führt der Mahngang zum ehemaligen Wallraf-Richartz-Museum (heute das Museum für angewandte Kunst), wo damals viele Werke als „entartet“ von den Nazis aus dem Museum entfernt wurden. Dort spricht Dogan Akhanli, Kölner Schriftsteller, geflüchtet aus der Türkei, über Flucht und Exil heute. Im Aufruf heißt es:

„Bereits 1933 erhielten jüdische Malerinnen und Maler und solche, die sich gegen die neuen Machtverhältnisse engagierten, keine Ausstellungsmöglichkeiten mehr. Vertreter und Vertreterinnen der Neuen Musik fanden kaum noch Gehör. Viele jüdische Virtuosinnen und Virtuosen sowie Komponisten wurden deportiert und ermordet, sofern sie nicht rechtzeitig ins Exil gingen. Musiker der Roma und Sinti durften ihren Beruf nicht mehr ausüben, auch von ihnen wurden viele deportiert. Theaterstücke wurden nach völkischen Inhalten ausgewählt; politisches Kabarett war ab 1933 mundtot gemacht. Schriftstellerinnen und Schriftsteller mussten erleben, wie ihre Bücher in Flammen aufgingen. Wer sich nicht dem diktatorischen Kultursystem anpasste, musste verstummen.

Diese Bleistiftzeichnung hat der Kölner Maler Peter Josef Paffenholz im März 1933 in Gestapohaft angefertigt

Diese Bleistiftzeichnung hat der Kölner Maler Peter Josef Paffenholz im März 1933 in Gestapohaft angefertigt


Freie Kulturinstitutionen wurden verboten oder geschlossen, Kunstwerke teilweise schon vor den Kriegsjahren ausgelagert.

Nach dem Ende der Nazidiktatur lagen Opernhäuser und Museen in Trümmern. Beim Neuanfang des Kulturlebens 1945 herrschte eine geistig-moralische Orientierungslosigkeit. Kulturschaffende, die die Lagerhaft im KZ überlebt hatten, waren traumatisiert und oft sprachlos.

Auch die aus einem Versteck oder aus der Emigration Zurückkehrenden trugen Geschichten von rassistisch oder politisch motivierter Verachtung und menschlichen Verlusten mit sich, die sich nur schwer ausdrücken ließen.

Es wollte sie aber auch niemand hören.

In den frühen Nachkriegsmonaten gab es durchaus einen ‚Hunger nach Kultur‘. In den Kunstwerken und Ausstellungen erfolgte in Köln zunächst eine Hinwendung zur christlichen Kunst und zu zeitlos-existentiellen Themen. Eine Auseinandersetzung mit Ursachen und eine Übernahme der Verantwortung für die Gräuel der NS-Herrschaft und des Krieges fanden zunächst nicht statt. Sie wurden verdrängt.

Die Diffamierung der Moderne als entartet hatte noch lange Wirkung. Aber auch die Darstellung von Gegenwartsthemen mit ästhetischen Mitteln berührte nicht – den widrigen Alltag wollte das Publikum nicht dargestellt haben. Die Flucht aus der Realität verband sich mit der Ablehnung von gegenständlicher Kunst, die als engagierte Kunst in Köln vor 1933 ihren Platz gehabt hatte. Einige wenige äußerten ihren Unmut über diese Verdrängung und die scheinbare kollektive Schuldlosigkeit in Texten und Kunstwerken.
Der Schwur der Überlebenden des KZ Buchenwald: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“ ist ein Vermächtnis an uns alle und hat auch heute nichts an Aktualität verloren. Wir sind aufgefordert, einen Beitrag zu leisten, dass Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Glauben, ihren Lebensumständen gewaltfrei, anerkannt und ökonomisch abgesichert in Köln leben und sich kreativ ausdrücken können. Das gilt auch für die, die zu uns kommen, weil sie in ihrer Heimat Hunger und Krieg ausgesetzt sind. Erinnern an die Opfer der NS-Zeit leistet dazu einen Beitrag.“

Aufruf 27.Januar.pdf