Zwangsarbeit: Opfer und Profiteure
8. April 2013
„Neben das Gedenken an die Opfer wollen wir die Erinnerung an die Täter und die Profiteure von Mord, Krieg und Sklavenarbeit stellen“. So fasste Ulli Sander, Bundessprecher der VVN-BdA und Herausgeber des Buches „Von Arisierung bis Zwangsarbeit – Verbrecher der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933-1945“, das kürzlich im Kölner Papyrossa-Verlag erschienen ist, sein Anliegen in einer Veranstaltung im Kölner DGB-Haus zusammen. Zu dem Vortrag unter dem Titel „Millionäre standen hinter ihm – Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“ hatten das Jugendbündnis „Keine Stimme für Nazis“, in dem u.a. die Gewerkschaftsjugend, der Kölner Jugendring und die Falken mitarbeiten, und die Kölner VVN-BdA eingeladen und gut 40 Besucher(inn)en, davon ein großer Teil junge Menschen, waren gekommen um Sander und Angelika Lehndorff-Felsko (Projektgruppe Messelager) zu hören.
Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand das Thema Zwangsarbeit und zögerliche und weite Betroffenenkreise ausschließende Entschädigungspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Erschütternd waren allein die Dimensionen der Versklavung: Von 1939 bis zur Befreiung am 8. Mai 1945 gab es zwischen 15 und 20 Millionen Menschen, die in allen Bereichen der Wirtschaft schlecht oder gar nicht entlohnte Arbeit leisten mussten. Im Jahr 1944 machten die Zwangsarbeiter(innen) 25% bis 33% aller Arbeitskräfte in Deutschland aus – ohne sie wären Industrie und Landwirtschaft zusammengebrochen. Von den billigen Arbeitssklaven, deren „Lohn“ in den meisten Fällen an die SS gezahlt wurde, profitierten in großem Maß die gleichen Kräfte, die mit ihrer finanziellen und politischen Unterstützung mit dafür gesorgt hatten, dass die politische Macht am 30. Januar 1933 an die Nazipartei übergeben wurde. Bestraft für Ihre Verbrechen wurden die wenigsten Verantwortlichen aus den Reihen der Schwer- und Chemieindustrie sowie des Bankkapitals. Im Gegenteil: Nicht wenige derer, die für schwerste Menschenrechtsverletzungen und millionenfaches Elend verantwortlich waren (beispielweise Friedrich Flick und Hermann-Josef Abs), gelangten zu Beginn der fünfziger Jahre wieder an die Schalthebel der wirtschaftlichen Macht und waren erfolgreicher denn je. Ulli Sander wies darauf hin, dass hinter dem Sponsor von Borussia Dortmund, dem Evonik-Konzern, sich u.a. die Firma Degussa, die mit dem Zahngold in den Vernichtungslagern ermordeter Menschen handelte, verbirgt. Angelika Lehndorff-Felsko schilderte am Ende des Abends ein Verbrechen, dass sich vor unserer Haustür zugetragen hatte: In Köln-Ossendorf wurden 1943 zwei junge Zwangsarbeiter öffentlich ermordet, denen „Rassenschande“, also eine Liebesbeziehung mit deutschen Frauen vorgeworfen wurde. Für diese beiden Opfer des Naziterrors soll am Ort ihrer Hinrichtung, dem Park hinter der Schule in der Wilhelm-Schreiber-Straße, im September ein Gedenkstein errichtet werden. Bei der Sammlung für dieses Projekt rückte die finanzielle Realisierung wieder ein Stück näher. Nicht nur deshalb, sondern vor allem, weil über ein meist verschwiegenes Stück deutscher (Wirtschafts-) Geschichte informiert wurde, waren Veranstalter(innen), Referent(inn)en und Besucher(innen) mehr als zufrieden mit dem Verlauf des Abends.