Antikriegstag 2022: Schluss mit dem Krieg in der Ukraine!
5. Oktober 2022
Der diesjährige Antikriegstag stand, wie könnte es anders sein, ganz im Zeichen des Krieges in der Ukraine. Da der DGB sich auf eine Saalveranstaltung einige Tage vor dem 1. September konzentrierte, hatten das Kölner Friedensforum und einige andere Gruppen (darunter mit der GEW und der IG BAU auch zwei Einzelgewerkschaften) zu einer Kundgebung auf dem Rudolfplatz eingeladen. Gut 100 Personen waren dieser, leider recht kurzfristigen Einladung, gefolgt. Sie hörten u.a. Reden je eines Vertreters von ver.di und der IG BAU (deren Slogan: Brücken statt Panzer), dem Versöhnungsbund, der DIDF und Kalle Gerigk, dem „Mietrebellen“. Für die Kölner VVN-BdA sprach Peter Trinogga, dessen Beitrag wir folgend dokumentieren:
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
meine Damen und Herren,
die Begriffe Faschismus und Antifaschismus werden im Propagandakrieg, der dem Waffenkrieg in der Ukraine vorausging und ihn begleitet, von beiden Konfliktparteien ausgiebig benutzt. Als Antifaschistinnen und Antifaschisten müssen wir dazu Stellung beziehen. Wir sollten uns in Deutschland aber in erster Linie um die Politik unserer Regierung, die Inhalte unserer Massenmedien kümmern, daher zu Beginn meines Beitrages nur einige, wenige Worte zum Thema Propaganda:
Die Ukraine ist kein Nazistaat, wie es die russische Regierung und die meisten dortigen Medien behaupten. Dieser Vorwurf beruht nicht auf nachprüfbaren Kriterien, nicht auf Kategorien, auf deren Grundlage, sachliche Bewertungen getroffen werden könnten. Er dient der politischen Denunziation und der ideologischen Rechtfertigung des Krieges. Wir sollten das wissen und sagen, denn wenn alles „Nazi“ ist, ist irgendwann nichts mehr „Nazi“ – und das wäre der Tod, jeder ernsthaften antifaschistischen Politik.
Die Ukraine ist aber auch kein Staat des Antifaschismus, wie das hierzulande, meist unter Berufung auf die jüdische Herkunft ihres Präsidenten, gerne behauptet wird. Die ukrainische Staatsraison gründet auf Nationalismus, auf einer Traditionslinie, die zurückgeht nicht zuletzt auf die Nazikollaborateure der ukrainischen Nationalbewegung der vierziger Jahre. Es gibt starke Anzeichen für Nazistrukturen in den ukrainischen Sicherheitskräften, in der Armee. Oppositionelle Parteien sind verboten, Antikommunismus und Russenhass Grundlage der Politik- Denkmäler und Straßenbenennungen für antifaschistische Kämpferinnen und Kämpfer werden beseitigt oder umbenannt. Diese Tradition, diese Politik ist in unseren Augen nicht wert, verteidigt zu werden.
Kommen wir zurück in unser Land. Ich möchte mich in meinem Beitrag auf drei Gesichtspunkte beschränken: Da ist zum einen die Stimmungsmache gegen Russland und russische Menschen:
Immer wieder hören wir von Politikerinnen und Politikern fast aller Parteien, im Ukrainekrieg würde „Europa“ verteidigt. Würde das stimmen, was wäre dann Russland? Asien wahrscheinlich – ein anderer Kontinent steht nicht zur Auswahl. Wie weit ist es von der Verteidigung Europas gegen Russland zu den asiatischen Horden der Nazipropaganda?
Vor einigen Monaten war in der Talkshow von Markus Lanz Frau Florence Gaub zu Gast, die am Institut der EU für Sicherheitsstudien wissenschaftlich tätig ist. Sie äußerte in dieser Sendung wörtlich: „Ich glaube, wir dürfen nicht vergessen, dass auch wenn Russen europäisch aussehen, dass es keine Europäer sind – im kulturellen Sinne“. Russische Menschen hätten einen anderen Bezug zu Gewalt und Tod. Sie findet: „Es gibt (bei Russen) nicht diesen liberalen und postmodernen Zugang zum Leben. Das Leben als ein Projekt, das jeder für sich individuell gestaltet. Sondern das Leben kann halt einfach auch mit dem Tod recht früh enden.“ Was ist das anders, als banaler alter Rassismus, gekleidet in modernen Wissenschaftsjargon?
In Berlin waren am diesjährigen 8. und 9. Mai, dem Jahrestag der Befreiung vom Faschismus und dem Tag des Sieges, wie er in der Sowjetunion und in Russland begangen wurde und wird, russische und sowjetische Fahnen an den meisten Gedenkstätten für gefallene Sowjetsoldatinnen und -soldaten vom rot-rot-grünen Senat verboten worden. Man stelle sich vor: Die Flagge des Landes, dessen Menschen den weitaus höchsten Blutzoll für die Befreiung Europas vom Faschismus entrichtet hatten, durfte nicht gezeigt werden! Dabei verdankt die Ukraine ihre Staatlichkeit genau dieser Sowjetunion, die mit dem derzeitigen Krieg nichts, aber auch gar nichts, zu tun haben kann, da es sie seit 30 Jahren nicht mehr gibt.
Ich könnte noch einiges ausführen: Die Diskussionen darüber, ob russische Menschen noch Einreisevisa nach Deutschland erhalten sollen oder Außenministerin Baerbocks Aussage, sie wolle Russlands Wirtschaft ruinieren… Aber ich möchte meine Redezeit nicht zu sehr überschreiten. Nur soviel: Auch die Nazis haben die Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion, auch Ukrainerinnen und Ukraine entmenschlicht – bei ihnen hießen diese allerdings „slawische Untermenschen“.
Zweiter Gesichtspunkt: In den deutschen Medien, egal ob gedruckt oder gesendet, findet, von wenigen Ausnahmen abgesehen, eine unerträgliche Stimmungsmache für den Krieg statt. Ich habe den Eindruck, es kann den Journalistinnen und Journalisten, die einerseits nicht schnell genug die Ukraine verlassen konnten als der russische Angriff begann, andererseits nicht schnell genug gehen, mit einer aktiven Kriegsbeteiligung Deutschlands (im Rahmen der NATO natürlich). Damit wurden auch die Waffenlieferungen, die die Kassen der Rüstungskonzerne klingeln lassen, herbei geschrieben und -gesprochen. Das „Massaker von Butscha“, bei dem bis heute nicht klar ist, welche Seite die Verantwortung dafür trägt, wurde sofort Russland in die Schuhe geschoben – mittlerweile ist es stiller darum geworden. Oder der andauernde Beschuss des Atomkraftwerks in Saporishja, bei dem vieles darauf hindeutet, dass er vom ukrainischen Militär zu verantworten ist – in unseren Medien ist meist natürlich „der Russe“ schuld.
Der Zweite Weltkrieg, der heute vor 82 Jahren, am 1. September 1939 begonnen wurde, wurde auch medial vorbereitet. Die Kolleginnen und Kollegen in den Zeitungsredaktionen und Funkhäusern sollten das wissen und Lehren daraus ziehen. Und wir sollten mit Briefen und Meinungsäußerungen zu dieser Art der Berichterstattung Stellung nehmen – noch viel stärker als es jetzt bereits geschieht.
Und jetzt zum dritten und letzten Gesichtspunkt, über den ich etwas sagen möchte: Die Auswirkungen des Krieges und die unsinnigen Gas-Sanktionen gegen Russland haben mit dafür gesorgt, dass viele Menschen in Deutschland Monat für Monat real weniger Geld ausgeben können, dass Menschen verarmen, sich entscheiden müssen, ob sie Ihre Kröten nutzen, um zu heizen oder um Essen zu kaufen. In einem der reichsten Länder der Erde stellt sich die Frage für Viele: Hungern oder frieren – das ist doch ein Hohn! Nicht nur aus diesem Grund wächst bei vielen Leuten die Unzufriedenheit – und sie wächst nicht nur, sie wird sich auch entladen.
Die Rechten, egal ob AfD, NPD, Dritter Weg, Freie Sachsen oder aktuell hier in Köln Markus Beisicht, seit Jahrzehnten einschlägig bekannter und berüchtigter Faschist, wollen diese berechtigte Unzufriedenheit für sich nutzen – genau wie die Nazis, die Unzufriedenheit vieler Menschen in der Endphase der Weimarer Republik für Ihre menschenfeindliche Propaganda nutzten. Den Rechten geht es aber keineswegs darum, für Frieden und Völkerverständigung einzutreten, für Abrüstung und die bessere finanzielle Ausstattung von Schulen und Krankenhäusern. Sie stehen für Aggressivität nach außen und Unterdrückung nach innen.
Was heißt das für uns, für Demokratinnen und Demokraten, Antifaschisten und die Menschen, die für Frieden und Verständigung eintreten? Sollen wir die Proteste, an denen auch Rechte beteiligt sein werden, ignorieren, uns an deren Rand stellen und „Nazis raus!“ rufen? Ich glaube nicht! Wir dürfen den rechten Demagoginnen und Demagogen weder die Inhalte sozialen Protests noch die Straßen überlassen. Nicht alle, vielleicht sogar nur wenige derer, die ihre Unzufriedenheit auf die Straßen tragen, sind Nazis und Rassistinnen und Rassisten. Wir demokratischen Kräfte, wir Linken sollten uns an berechtigten Protesten gegen Sozialabbau und steigende Preise, die nicht von den Rechten initiiert oder beherrscht werden, mit unseren Forderungen beteiligen und für unsere humanen Alternativen werben. Sie heißen:
- Für Frieden und Verständigung in der Ukraine! Beide Kriegsparteien müssen sofortige Verhandlungen über die Beendigung des Kriegs beginnen!
- Gegen die Verarmung der Menschen, gegen die stattfindende Umverteilung von unten nach oben in die Kassen der Konzerne!
- Gegen Sanktionen – für friedlichen Handel und Gespräche mit allen Konfliktparteien.
- Gegen Nazis, und Rassisten – in Deutschland, in der Ukraine, in Russland und überall auf der Welt!