Abgesagt: Buchvorstellung: „Mörderisches Finale – NS-Verbrechen bei Kriegsende 1945“ von Ulli Sander
28. September 2020
Krankheitsbedingt muss die Veranstaltung leider abgesagt werden – wir hoffen zeitnah einen neuen Termin ansetzten zu können.
13. Oktober. 17.45Uhr in Köln, Alte Feuerwache im „offenen Treff“.
Einladen wird r-mediabase, Hans-Dieter Hey.
Über 10 Jahre hat Ulrich Sander für sein Buch recherchiert, immer wieder ergänzt. Und es könnte weiter gehen mit der Darstellung von Kriegsverbrechen von Nazideutschland bei Kriegsende. Alles begann in Dortmund bei den Kundgebungen für die Opfer der Karfreitagsmorde 1945. Es nahmen Initiativen teil, die im ganzen Land an ähnliche vergessene Opfer erinnerten. Man wollte Dinge bearbeiten, die nicht vergessen werden durften. Dinge, die viele nicht mehr wissen wollten. Die erste Auflage war sehr schnell verkauft. Jetzt folgte die zweite stark erweiterte Auflage, und Ulrich Sander wird uns daraus vorlesen.
Jahrzehnte lange Recherchen kennzeichnen Sanders Publikationen. Vor 60 Jahren begann seine fast lebenslange Recherche zum jüngsten vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilten. Als Schüler las er eine Reportage von Julis Fucik, „Unter dem Strang“, geschrieben in Gestapohaft. Darin die Worte: „Die ihr diese Zeit überlebt, vergesst nicht. Sammelt geduldig Zeugnisse von den Gefallenen. Sucht euch einen von ihnen aus und seid stolz auf ihn als einen großen Menschen, der für die Zukunft gelebt hat.“ Sander wählte Helmuth Hübener aus.
Die WAZ schrieb darüber:
„Helmuth Hübener starb im Oktober 1942 in Berlin. Hingerichtet durch das Fallbeil, ermordet von den Nazis. Hübener war erst 17, der jüngste aller 1574 in Plötzensee Ermordeten. Und fast vergessen.
Mit einer kleinen Gruppe Jugendlicher hockt Helmuth Hübener nachts vor dem Radio und hört den britischen ‚Feindsender‘ BBC. Sie tippen die Nachrichten ab, vervielfältigen sie. Die Flugblätter mit der anderen Wahrheit werfen sie in die Briefkästen der Hamburger Arbeiterviertel, kleben sie an Mauern und Laternen, stecken sie in die Manteltaschen fremder Menschen.
Hübener trifft sich mit seiner Gruppe häufig im Freibad, wo sie ungestört reden können. Es ist Sommer 1941. Im Juli beginnt der Angriff auf die Sowjetunion, Deutschland siegt und siegt und Hitler ist der Führer der Deutschen. Ein 17-jähriger Junge aber lässt sich von der allgemeinen Begeisterung nicht anstecken, versucht Widerstand.
Dass die Geschichte Hübeners bekannt wurde, ist einzig Ulrich Sander zu danken. Sieben pralle Aktenordner legt er auf den Esstisch seiner Dortmunder Dachgeschoss-Wohnung: ‘Mein Hübener-Archiv. Sander hatte durch Zufall in den 60er Jahren ein Heftchen in die Finger bekommen, dass nichts anderes enthielt als die Abschrift des Urteils, mit dem der Volksgerichtshof den 17-Jährigen am 11. August 1942 wegen ‚Hochverrats‘ zum Tode verurteilte. Sander, war von diesen brutal-nüchternen Juristenworten elektrisiert und begann, das Leben Hübeners systematisch zu erforschen.
Hübener wächst in einem unpolitischen Elternhaus auf. Als die Nazis 1933 die Macht ergreifen, ist er acht Jähre alt. Sander: ‘Was mich an ihm fasziniert, ist, dass er ohne politisch vorgeprägt worden zu sein, die Verbrechen und die Unmenschlichkeit der Nazis erkannte. Er handelte völlig autonom.‘
Hübeners Leben widerlegt daher die ewige Schutzbehauptung: Wir haben nichts gewusst. ‘Dieser Junge wollte wissen, und er sah und erfuhr eine Menge.‘
Der Journalist Ulrich Sander schrieb Artikel über das Leben Hübeners – auch mit kuriosen Folgen. Ein Bericht, der 1967 in der Gewerkschaftszeitung „Deutsche Post“ erschien, muss den Schriftsteller Günter Grass beeindruckt haben. In seinem 1969 erschienenen Roman „Örtlich betäubt“ lässt er einen Schüler auftreten, der sich den 17-jährigen Hübener zum Vorbild nimmt. Er habe von Helmuth Hübener in der Zeitung gelesen, in der Deutschen Post, lässt Grass den Schüler sagen. Der Autor war Sander. Geschichte und Literatur, gelebtes Schicksal und poetischer Einfall verweben sich.
Im Oktober 1942 wird Hübener geköpft. Das Protokoll verzeichnet: Um 20.13 Uhr werden ihm die Hände auf den Rücken gefesselt. Der Verurteilte ist ruhig und gefasst. Scharfrichter Röttger und seine drei Gehilfen melden wenige Sekunden später: Das Urteil ist vollstreckt. Der letzte Wunsch Hübeners kostet den Staat 2,18 Reichsmark. Die Scharfrichter kosten 120 Reichsmark.“
Im Jahre 2011 durfte Ulrich Sander bei der Namensgebung einer Schule in Hamburg-Barmbek teilnehmen. „Man dachte so an eine Art Geschwister-Scholl-Schule, aber diesen guten Namen gibt es oft. Jedoch junger Widerstand sollte es sein. So wurden im Internet Karl Heinz Jahnkes und meine Forschungen zu dem Thema gefunden, und ich schlug den Namen Helmuth-Hübener-Schule vor. Die Schulkonferenz stimmte zu“, schreibt er in einem Aufsatz im Internet. Und wenn man nur einige Buchstabe aus dem Namen helMUTh hÜBENer groß schreibt, wird „Mut üben“ daraus. Eine Glänzende Idee!
Seitdem gilt für diese Schule als Leitlinie das Eintreten gegen Diskriminierung, gegen Antisemitismus und für Toleranz. Sie engagiert sich gegen Krieg und für den Frieden und will die Schüler/innen zu freiem, unabhängigen und selbständigen Denken anhalten, was viele Ältere Deutsche nicht realisieren konnten.
Seit Anfang diesen Jahres 2020 gibt es eine weitere „HeMUTh hÜBENer Schule“ in der Jugendstrafanstalt in Berlin. Die dort Einsitzenden haben mit unglaublichem künstlerischem Geschick in der dortigen Eingangshalle ein riesiges Portrait von Helmuth Hübener errichtet. Eingeweiht wurde sie am 8. Januar neben Ansprachen mit einer szenischen Lesung und der Enthüllung des Kunstprojektes „Helmuth Hübener mit der Künstlerin Slava Osinski.
Mehr gibt es auf der Lesung mit dem Autor Ulrich Sander. Nach der Langzeitrecherche zu einem einzelnen Unbekannten, hat er sich der hunderttausenden Unbekannten angenommen, der noch 1945 ermordeten Zwangsarbeiter, Widerstandskämpfer und Kriegsgefangenen, die nicht überleben sollten, weil die Nazis sie von der Nachkriegsentwicklung im Lande ausschließen wollten. So entstand „Mörderische Finale“.
Das „Neue Deutschland“ schrieb dazu: „Der einstige, langjährige Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) forscht und publiziert seit Jahrzehnten zu deutsch-faschistischen Kriegsverbrechen. Da er und seine Mitstreiter immer wieder auf neue Spuren, Hinweise, Fakten stoßen (»Mitte 2019 gab es fast wöchentlich Neues zu unserem Thema«), entschied er sich zu einer aktualisierten Neuauflage seiner 2008 unter gleichem Titel erschienenen Dokumentation des NS-Terrors zu Ende des Zweiten Weltkrieges. Wie viele westdeutsche Städte hat sich etwa das bayerische Moosburg hartnäckig gegen die Aufarbeitung der eigenen Geschichte gesperrt, ‚Russenleichen‘ nach 1945 heimlich entsorgt und ermordete polnische Häftlinge unter einem ‚Gedenkstein‘ mit der zynischen Inschrift »Unseren gefallenen Kameraden. Spielvereinigung Moosburg« verschwinden lassen. Erst jetzt stellt sich die Kleinstadt an der Isar, wo sich Deutschlands größtes Kriegsgefangenenlager befunden haben soll, dank engagierter Bürger den Verbrechen unterm Hakenkreuz. Im Sommer vergangenen Jahres wurden auch auf dem ehemaligen KZ-Außenlager der Ellrich-Julius-Hütte in der niedersächsischen Gemeinde Walkenried die im März 1945 verbrannten Leichen von über 1000 Häftlingen entdeckt. Der Autor informiert zudem über das Vorhaben, in Dortmund, wo seit 2010 am Westufer des Phoenix-Sees eine Thomasbirne die einst mächtige Stahlindustrie heroisiert, nunmehr endlich auch ein Denkmal für die von den Eisenerzmagnaten ausgebeuteten und zu Tode gekommenen Zwangsarbeiter zu errichten.“
Übrigens: Anfang September wurde das Mahnmal am Phönixsee eingeweiht.
Für das Hygienekonzept gilt:
1. Tragen sie eine Mund-Nasen-Maske (Reservemasken sind vorhanden)
2. Halten Sie mindestens 1,5 mtr. Abstand voneinander, auch in der Warteschlange!
3. Tragen Sie sich mit Ihrem Kugelschreiber in die Teilnehmerliste ein
4. Orientieren Sie sich an den Schildern für den Aus- und Eingang
5. Desinfizieren Sie Ihre Hände
6. Niesen oder Husten Sie in die Armbeuge
7. Menschen mit starken Erkältungssymptomen oder Coronainfektion dürfen leider nicht teilnehmen