Donnerstag, 26. Januar 2017, Antoniterkirche, 18 Uhr: Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus
11. Dezember 2016
Gedenkveranstaltung, Kulturveranstaltung, Mahnwache
Auch 2017 findet wieder in der Antoniterkirche eine durch ein breites Bündnis getragene Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalismus statt. In diesem Jahr stehen Kölnerinnen und Kölner im Mittelpunkt, die versucht haben, sich der Verfolgung durch die Nazis durch Flucht zu entziehen. Hier der Aufruf zur Veranstaltung:
Ungefähr eine halbe Million Menschen flüchten während der NS-Herrschaft aus Deutschland. Ca. 40.000 haben politische Gründe, – sie sind aktive Angehörige der SPD, KPD, aber auch der katholisch orientierten Deutschen Zentrumspartei. Sie entfliehen Folter, Haft und KZ.
90 % aller Flüchtenden sind Jüdinnen und Juden. Die Nazis nehmen ihnen zunächst Bildungs- und Berufsmöglichkeiten und dann später die Bürgerrechte. Sie müssen erleben, wie ihre früheren ArbeitskollegInnen, Nachbarn und sogar FreundInnen sich massenhaft an der Enteignung, Entrechtung und rassistischen Ausgrenzung beteiligen. Viele verlassen Hals über Kopf ihre Heimat.
Jüdische Organisationen versuchen ab 1934, die Auswanderung nach Palästina zu unterstützen. Die „Arisierung“ der Betriebe und Vermögen der jüdischen Familien wie auch die Verschärfung der „Reichsfluchtsteuer“ nehmen vielen die erforderlichen Mittel für eine Aufnahme in den Exilländern. Haben sie es geschafft, ist das Leben im Exil hart. Papiere und Visa sind zu beschaffen, der Aufenthalt zu legalisieren. Es ist schwer, wirtschaftlich und sozial Fuß zu fassen. Ständiger Wohnortwechsel gehört zum Alltag. Häufig gibt es Probleme mit der einheimischen Bevölkerung. Jugendliche können meist nicht zur Schule gehen oder eine Ausbildung bekommen, viele sorgen für den Lebensunterhalt der Eltern wie die Kölnerin Faye Cukier. Sogar Kinder übernehmen Mitverantwortung für die sprachlichen Regelungen des Alltags. Der Verlust der Sprache, der Kultur und der Heimat schmerzt.
Trotz all dieser Schwierigkeiten setzen viele Flüchtlinge ihr politisches Engagement fort und organisieren sich im Widerstand für ein anderes Deutschland; Kulturschaffende wie der Kölner Musiker Heinz Jolles kämpfen für Arbeitsmöglichkeiten in der neuen Heimat.
Die in die westlichen Nachbarländer Geflüchteten erleben ab 1940, wie die Niederlande, Belgien und Frankreich von der Wehrmacht militärisch besetzt werden. Die rassistisch und politisch motivierte Verfolgung setzt sich im Exilland fort. Wer sich nicht registrieren lässt, lebt in Illegalität. Wer sich registrieren lässt, muss befürchten, über kurz oder lang von den Nazis verhaftet zu werden. Verzweifelt und meist vergeblich versuchen viele Flüchtlinge nun, Visa für England, die USA bzw. weitere Überseeländer zu erhalten.
Sinti und Roma, mit den „Nürnberger Gesetzen“ zur „ Fremdrasse“ erklärt, wird keinerlei organisierte zivilgesellschaftliche oder staatliche Unterstützung zuteil. Mit Kriegsbeginn droht ihnen die Deportation aus Deutschland; nur wenige, wie eine Kölner Sinti-Familie, können zunächst in die Türkei fliehen.
Fast alle Exil-Staaten haben Quoten für Flüchtlinge eingerichtet. Eine internationale Konferenz im französischen Evian-les-Bains, die 1938 von den USA einberufen wird, um weitere Hilfsmöglichkeiten für jüdische Flüchtlinge zu organisieren, endet beschämend: Keiner der 32 anwesenden Staaten erhöht die Aufnahmequoten oder lockert die restriktiven Aufnahmebedingungen. Dagegen ist von „Überfremdung“ und „Einwanderungsflut“ die Rede.
1940 wird unter der Schirmherrschaft der Präsidentengattin Eleonore Roosevelt und mit Unterstützung amerikanischer GeldgeberInnen das „Emergency Rescue Committee“ eingerichtet. Die Auslieferung von 200 namentlich bekannten Intellektuellen und KünstlerInnen an die NS-Behörden durch die Vichy-Regierung soll verhindert werden. Dem Leiter des Committees, Varian Fry, gelingt es, statt der benannten Gruppe ca. 2.000 Personen zur Flucht zu verhelfen. Immer noch zu wenige angesichts der Menge von Schutzbedürftigen.
Im Grundgesetz von 1949 ist aufgrund der Erfahrungen in der NS-Zeit der Artikel 16 verankert worden: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. Auch die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen von 1948 formuliert in Artikel 14: Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.
Wir sind aufgefordert, einen Beitrag dazu zu leisten, dass Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Glauben, ihrer politischen Orientierung , ihres Geschlechtes oder ihrer sexuellen Orientierung gewaltfrei, anerkannt und ökonomisch abgesichert in Köln leben können. Das schließt auch diejenigen ein, die heute zu uns kommen, weil sie in ihrer Heimat Verfolgung, Hunger und Krieg ausgesetzt sind. Das Gedenken an die Befreiung von Auschwitz und die Erinnerung an die Opfer der NS-Diktatur sind uns ein Ansporn, sich auch heute für Menschlichkeit und Menschenrechte einzusetzen.