Kritik am Entwurf des geplanten Polizeigesetzes NRW
29. August 2018
Die NRW Landesregierung will das Polizeigesetz NRW ändern und hat einen Referentenentwurf „Sicherheitspakets I“ vorgelegt. Im Zentrum steht das Vorgehen gegen terroristische Bedrohung, aber auch gegen „sonstiges extremistisches Spektrum“. Nach Protesten wurde die Abstimmung darüber auf September verschoben.
Der Referentenentwurf sieht im Wesentlichen folgende Regelungen vor:
1. Einführung des Begriffs der sogenannten „drohenden Gefahr“ und „drohenden terroristischen Gefahr“ als zusätzliche Gefahrenbegriffskategorien nach den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts. Darunter fällt auch die Einführung des Begriffs der drohenden Gefahr „wenn lediglich das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass die Person innerhalb eines absehbaren Zeitraumes eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen wird“. (Änderungen in § 8 PolG NRW – E) Problematisch daran ist vor allem, dass diese Begriffsbestimmung dazu genutzt wird, Freiheitsrechte in extremen Maße einzuschränken. Mit den individuellen Verhalten kann auch eine politische Betätigung gemeint sein wie z.B. die Beteiligung an Demonstrationen gegen G20, nach denen es Krawalle gab. Damit ist der Unterdrückung von Oppositionellen Tür und Tor geöffnet.
2. Einführung einer Rechtsgrundlage zur Durchführung von sog. „Strategischen Fahndungen“ als anlassbezogene, aber verdachtsunabhängige Anhalte- und Sichtkontrollen im öffentlichen Verkehrsraum. (Änderungen in § 12a PolG NRW – E) Praktisch bedeutet dies: Anhalte- und Sichtkontrollen, Schleierfahndung und Gefahrengebiet. Es ist möglich Personen anzuhalten, ihre Identität festzustellen und ihre PKW und mitgeführte Sachen in Augenschein zu nehmen. Dies bedeutet auch eine Ausweitung rassistischer Polizeikontrollen, wie Silvester in Köln oder täglich an Bahnhöfen.
3. Ausweitung der Möglichkeiten, Videobeobachtung an einzelnen öffentlichen Plätzen und bestimmten Orten durchzuführen. (Änderungen in § 15a PolG NRW – E) Damit soll die Videoüberwachung an öffentlich zugänglichen Orten eingeführt werden, wenn die Annahme gerechtfertigt ist das Straftaten begangen werden oder „an diesem Ort“ Straftaten von erheblicher Bedeutung „verabredet, vorbereitet werden“. Bisher waren konkrete Erfahrungen mit Straftaten notwendig, um Orte zu überwachen. Die Ausweitung der Videoüberwachung führt zu einem Überwachungsstaat, in dem es keine unbeobachteten Orte und Momente mehr gibt. Das führt zu einer Verhaltensänderung und Anpassung der sich stets beobachtet Fühlenden.
4. Einführung einer Vorschrift zur präventiv-polizeilichen Telekommunikationsüberwachung, einschließlich der Befugnis, auf verschlüsselte Telekommunikationsinhalte mittels Eingriff in informationstechnische Systeme zuzugreifen (NRW- Staatstrojaner, sogenannte Quellen- TKÜ). (Änderungen in § 20c PolG NRW – E) Die präventiv-polizeilichen Telekommunikationsüberwachung soll bei drohender Gefahr, bei drohender terroristischer Gefahr, aber auch schon beim Verdacht Mitteilungen entgegen zu nehmen oder zu übermitteln eingeleitet werden können und praktisch unbegrenzt fortgeführt werden können. Die Entgrenzung der kompletten Überwachung auf präventive Zwecke ermöglicht der Polizei zu entscheiden, wer überwacht wird und schafft ihr praktisch geheimdienstliche Befugnisse.
5. Einführung einer strafbewehrten präventiv-polizeilichen Rechtsgrundlage, um gegen mutmaßliche Gefährder orts- und gebietsbezogene Aufenthaltsanordnungen oder Kontaktverbote zu erlassen. (Änderungen in § 34b PolG NRW – E) Bei drohender Gefahr ist es er Polizei möglich, Aufenthaltsgebote (z.B. das Verbot den Wohnort zu verlassen) oder Aufenthaltsverbote (also bestimmte Orte nicht zu betreten) zu verhängen und den Kontakt mit bestimmten Personen oder Personengruppen zu verbieten. Auf Antrag der Polizei wird dies vom Amtsgericht angeordnet (oder bei Gefahr im Verzug im Nachhinein bestätigt) und darf jeweils um 3 Monate unbegrenzt verlängert werden. Bei Verstoß gegen Kontakt oder Aufenthaltsverbot droht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren. Dieses Gesetz bedeutet eine massive Beschränkung der Freizügigkeit. Der Staat kann Personen praktisch an ihrem Wohnort einsperren oder ihnen verbieten, sich mit anderen Menschen zu treffen oder auch nur zu telefonieren. Wohlgemerkt all das ohne dass die Personen eine Straftat begangen haben, rein zu präventiven Zwecken.
6. Einführung einer strafbewehrten präventiv-polizeilichen Rechtsgrundlage zur Anordnung einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung. („Elektronische Fußfessel“) (Änderungen in § 34c PolG NRW – E) Bisher wurde die elektronische Fußfessel als Freiheitsstrafe gewertet, als Alternative zum Gefängnis oder zur Überwachung von Bewährungsauflagen – also nach rechtskräftigen Verurteilungen eingesetzt. Jetzt soll auch sie bereits präventiv bei drohenden Gefahren eingesetzt werden. Das heißt Menschen werden total überwacht ohne je eine Straftat begangen zu haben, lediglich weil die Polizei glaubt, sie könnten dies tun.
7. Ergänzung der Vorschriften um die Ingewahrsamnahme um weitere Möglichkeiten der Ingewahrsamnahme sowie Ermöglichung einer Verlängerung des Gewahrsams zur Gefahrenabwehr auf Grund des Polizeigesetzes. (Änderungen in § 38 PolG NRW – E) Auch bei drohender Gefahr und drohender terroristischer Gefahr wird eine Ingewahrsamnahme zur Gefahrenabwehr ermöglicht. Die mögliche Länge von Gewahrsam wird bei drohender terroristischer Gefahr oder Verstoß gegen Aufenthaltsbeschränkungen oder Kontaktverbot auf einen Monat verlängert und in weiteren Fällen auf 7 Tage ausgeweitet, auch zur bloßen Identitätsfeststellung. Die Ingewahrsamnahme ist ein Freiheitsentzug. Dieser wird nun deutlich ausgeweitet auch in den Fällen, in denen bloße Verdachtsmomente vorliegen.
8. Ergänzung des Waffenkatalogs um Distanzelektroimpulsgeräte. („Taser“) (Änderungen in § 58 PolG NRW – E) Taser sind gefährliche Waffen und führen immer wieder zu Todesfällen. Dadurch, dass sie von der Polizei als nicht-tödlich eingeschätzt werden und die Einsatzhemmschwelle nicht so groß ist, steigt die Gefahr von schweren Verletzungen und Tötungen. Notwendig sind die Taser nicht, der Polizei stehen bereits jetzt genug Waffen zur Verfügung. Statt einer Aufrüstung ist mehr Training in Deeskalation und Kommunikation notwendig.
Gekürzt, vollständige Fassung auf http://.nrw.vvn-bda.de