Bartholomäus-Schink-Straße, Köln-Ehrenfeld: Ein Ort des Massenmords / Одно из мест массовых уничтожений людей в Кельне
3. Juli 2018
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Die Ecke Venloer Straße/Bartholomäus-Schink-Straße ist zwar ein lauter Ort aber kein schöner. Die vielbefahrene Bahnlinie nach Aachen, Brüssel und Paris, die noch stärker befahrene Venloer Straße, eine Spielhalle, ein Fahradabstellplatz, wenige Meter weiter der Clubbahnhof Ehrenfeld – alles nicht sehr spektakulär, eher unspannend und häßlich. Wäre da nicht das bunte, auf den ersten Blick verwirrende Wandbild mit dem Piratenschiff, den gesichtslosen, grauen marschierenden Kolonnen, die an einen Zombieaufmarsch erinnern, dazu eine Bronzetafel, unter der manchmal Blumen und Kränze liegen und der Straßenname: Bartholomäus-Schink. Klingt altmodisch, Bartholomäus ein bißchen wie ein katholischer Heiliger – aber welcher Heilige hieß schon Schink mit Nachnamen?
Versetzen wir uns in den Herbst 1944, genau in den 25 Oktober des vorletzten Kriegsjahres: Die Stadt ist weitestgehend ein Trümmerfeld und auch in Ehrenfeld sind nur wenige Häuser noch unversehrt. Die Menschen, die noch in der Stadt leben (es sind längst nicht mehr so viele wie noch Jahre zuvor), hausen häufig in Kellern oder zerschossenen Wohnungen. In den Trümmergrundstücken verstecken sich auch Untergetauchte: Geflohene Zwangsarbeiter(innen), die die Naziwehrmacht aus den überfallenen und versklavten Ländern vor allem in Osteuropa verschleppt hatten und die die Produktion der Betriebe aufrecht erhielten. Da gab es auch deutsche politische Nazigegner(innen), Deserteure, die sich nicht mehr in den letzten Kriegsmonaten verheizen lassen wollten, Jugendliche, die andere Vorstellungen von ihrem Leben hatten, als die Hitlerjugendführer. Allen gemeinsam war, das sie sich verstecken mussten – gefasst zu werden hätte Zuchthaus, KZ oder die Ermordung bedeutet.
Am 25. Oktober 1944 wurden 11 Zwangsarbeiter ohne Gerichtsverfahren von der Geheimen Staatspolizei (GESTAPO) am Bahndamm an der Hüttenstraße, so hieß die Bartolomäus-Schink-Straße damals, öffentlich gehenkt. Einer der elf kam aus Kroatien Wasslij Roman-Car), zwei aus der Ukraine (Iwan Komaschko und Iwan Orichowski), einer aus Polen (Bronislaw Dobanowski), zwei aus Russland ( Wolodmar Kozemba und Iwan Wolowski) – und keiner war älter als 22 Jahre. Die Nationalität der übrigen fünf ist, wie ihre Namen, bis heute unbekannt. Die erhalten gebliebenen Bilder der Ermordung lassen uns heute noch das Blut in den Adern gefrieren: Hunderte, wenn nicht tausende Menschen waren als Zuschauer(innen) anwesend und betrachteten das grausige Geschehen. Da nicht alle Erhängten sofort tot waren, wurden einige langsam und qualvoll erdosselt, in dem GESTAPO-Männer Stricke um ihre Beine legten und daran zogen. Das Erhängen der 11 Männer war keine Hinrichtung – es war elffacher Mord.
Nur 16 Tage später mordete die GESTAPO an gleicher Stelle erneut: Diesmal handelte es sich bei den Opfern um Mitglieder der „Ehrenfelder Gruppe“, darunter auch Jugendliche, die sich Edelweißpiraten nannten. Die 13 Opfer der Nazis kamen aus unterschiedlichen Zusammenhängen. Gemeinsam war ihnen, dass sie die Nazidiktatur ablehnten und gegen sie kämpften – einige von ihnen auch bewaffnet. Einige lebten illegal in den Trümmergrundstücken und waren um zu überleben darauf angewiesen, zu stehlen. Sie versteckten jüdische Menschen, unterstützten untergetauchte Zwangsarbeiter(innen). Die meisten von ihnen waren sehr jung, der Jüngste von ihnen, Bartholomäus-Schink, ein Edelweißpirat, war bei seiner Ermordung gerade erst 16 Jahre alt.
Im Einzelnen handelte es sich um: Gustav Bermel (17 Jahre), Peter Hüppeler (31 Jahre), Heinrich Kratina (38 Jahre), Wilhelm Kratz (42 Jahre), Johann Krausen (57 Jahre), Roland Lorent (24 Jahre), Josef Moll (41 Jahre), Johann Müller (16 Jahre), Franz Rheinberger (17 Jahre), Bartolomäus Schink (16 Jahre), Adolf Schütz (18 Jahre), Günther Schwarz (16 Jahre) und Hans Steinbrück (23 Jahre).