Gedenkfahrt am 3. März 2018: Vergessene Massenverbrechen in der Kriegsendphase
19. März 2018
Kurz vor der Befreiung von Krieg und Faschismus wurden im Frühjahr 1945 noch tausende Antifaschistinnen und Antifaschisten von den Nazis „ausgeschaltet“ und ermordet. Diese Massenmorde wie auch die Massaker in den Konzentrationslagern und auf den Todesmärschen von den KZs nach Westen entsprachen dem Nachkriegs- und Überlebenskonzept des deutschen Faschismus. Gestapochef Müller hatte versichert: “Wir werden nicht den gleichen Fehler machen, der 1918 begangen wurde; wir werden unsere innerdeutschen Feinde nicht am Leben lassen.“ Um an diese Verbrechen zu erinnern, hatte die VVN-BdA Landesorganisation für den 3. März zu einer Gedenkfahrt eingeladen.
Um 10.30 Uhr begann der Tag mit einer Kundgebung an der Gedenktafel am Bahnhof Deutz/Tief, die an die Deportation von über 1500 Roma und Sinti und über 11000 Juden ab 1940/41 aus Köln erinnert. Bundessprecher Ulli Sander würdigte hier in seiner Rede vor allem den starken Widerstand, den es in der Schlussphase des Krieges in Köln gab. Viele der im November 1944 verhafteten Mitglieder des Nationalkomitees Freies Deutschland waren unter denjenigen, die im März 45 noch auf die Märsche ins Bergische Land geschickt wurden.
Die Fahrt führte dann nach Lindlar. Auf dem Kirchplatz vor St. Severin wartete das Bündnis „Lindlar ist bunt nicht braun“. Eine Gedenktafel an St. Severin erinnert an die 10 ermordeten Zwangsarbeiter, die auf dem Kirchplatz begraben wurden und an die unzähligen weiteren Opfer der Zwangsarbeit in den Steinbrüchen und Betrieben rund um Lindlar. Im Gemeindehaus war ein Imbiss vorbereitet und es war Gelegenheit zur weiteren Information und Diskussion.
Um 15 Uhr war dann die Versetalsperre erreicht. Dort, wo wir jetzt auf das stille Wasser der Talsperre blickten, stand im Frühjahr 45 noch das Arbeitserziehungslager Hunswinkel. Aus dem Rheinland wurden mehr als 600 Häftlinge während der letzten 6 Wochen vor Kriegsende hierhin getrieben. Wie viele dabei starben oder getötet wurden, ist nicht bekannt. Die Friedengruppe Lüdenscheid hatte den Bus erwartet. Die Ballade von Hunswinkel erklang. Dann sprach Matthias Wagner, der mit seinen Recherchen diese Fahrt vor allem vorbereitet hatte, über die Verbrechen, die an diesem Ort passiert waren.
Das Arbeitserziehungslager Hunswinkel im Versetal (heute: Versestausee) südöstlich von Lüdenscheid war der schrecklichste Ort der NS-Zeit in Lüdenscheid und im Kreis Altena. Es war das erste Arbeitserziehungslager außerhalb von Berlin in der NS-Zeit und wurde im August 1940 von der Polizei (in Düsseldorf), vom Arbeitsamt (in Essen) und von den Arbeitgeberverbänden eingerichtet, um kritische Arbeiter zu „erziehen“: durch Schläge, durch Quälereien, durch Schwerstarbeit im Laufschritt, durch Hunger, durch erniedrigende Behandlung u.a. Als ab 1942 russische Zwangsarbeiter eingewiesen wurden, stieg die Zahl der Todesfälle rasch an und betrug bis zum Ende des Krieges 514.
Insgesamt waren hier ca. 5.000 „Erziehungshäftlinge“ inhaftiert. Sie schufen zum großen Teil das Versestaubecken und die Staumauer mit wenigen Maschinen und viel schwerer Körperarbeit. Hauptprofiteur war der Baukonzern Hochtief, der mit dem Bau der Talsperre beauftragt war.
Zwei Erinnerungstafeln auf dem Parkplatz an der Klamer Brücke, das Russenfeld im nördlichen Teil des Friedhofs Loh und der Friedhof/Gedenkstätte Hühnersiepen zeugen von den tödlichen Misshandlungen in dem Lager.
Im Café „Der kleine Prinz“ lud die Friedensgruppe Lüdenscheid dann noch zu Kaffee und Kuchen ein, bevor es auf die Rückfahrt nach Köln ging. Die Forschung zu den Kriegsendphasenverbrechen ist bei weitem nicht abgeschlossen und es wurde angeregt, auch in Zukunft weitere solcher Fahrten durchzuführen.