Vor 82 Jahren – Köln, Stadtwaldgürtel 35

geschrieben von tri

18. Januar 2015

In knapp 5 Monaten jährt sich zum siebzigsten Mal der Tag der Befreiung Europas vom Nazifaschismus und damit das Ende eines fast sechs Jahre andauernden blutigen Krieges. Dieses Tages wird vielfach gedacht werden – auch wir Kölner VVNler(innen) werden uns mit eigenen Beiträgen an den Feierlichkeiten beteiligen. Erinnern ist aber kein Selbstzweck sondern soll dazu dienen, Lehren zu ziehen, um einen neuen Faschismus und neue Kriege zukünftig zu verhindern. Dazu ist Verständnis der allererste Schritt. Verständnis ist aber nicht zu gewinnen, wenn nur das Ende betrachtet wird, der Tag, der Monat oder das Jahr der Befreiung. Verständnis setzt voraus, auch den Beginn, die Ursachen und die Geburtshelfer des deutschen Faschismus kennenzulernen. Deshalb gehört zum 8. Mai 1945 untrennbar der 4. Januar 1933. Und dieser Tag wiederum ist verbunden mit einer Kölner Adresse.
Am Stadtwaldgürtel 35 in Lindenthal residierte vor 82 Jahren der Kölner Bankier Kurt Freiherr von Schroeder, heute beherbergt die repräsentative Villa Eigentumswohnungen. In die Geschichte ging die Adresse allerdings nicht wegen des dort früher ansässigen Geldadels ein, sondern weil sie der Ort war, an dem der vormalige Reichskanzler Franz von Papen, ein rechtskonservativer Zentrumspolitiker auf Vermittlung des Hausherrn, damals Teilhaber des Kölner Bankhauses Stein, mit Adolf Hitler, Rudolf Hess und Heinrich Himmler zusammentraf. Zweck des Treffens war ein Bündnis zwischen Rechtskonservativen und Nazis mit dem Ziel einer Regierungsübernahme. Aktiver Förderer dieses Ziel waren bedeutende Teile des deutschen Finanzkapitals und der Schwerindustrie.
In einer eidesstattlichen Versicherung vor der US-amerikanischen Untersuchungsbehörde schilderte von Schroeder nach der Befreiung die Vorgänge so:
„Diese Zusammenkunft zwischen Hitler und Papen am 4. Januar 1933 in meinem Haus in Köln wurde von mir arrangiert, nachdem Papen mich … darum ersucht hatte. Bevor ich diesen Schritt unternahm, besprach ich mich mit einer Anzahl von Herren der Wirtschaft und informierte mich allgemein, wie sich die Wirtschaft zu einer Zusammenarbeit der beiden stellte. Die allgemeinen Bestrebungen der Männer der Wirtschaft gingen dahin, einen starken Führer in Deutschland an die Macht kommen zu sehen, der eine Regierung bilden würde, die lange an der Macht bleiben würde. Als die NSDAP am 6. November 1932 ihren ersten Rückschlag erlitt und somit also ihren Höhepunkt überschritten hatte, wurde eine Unterstützung durch die deutsche Wirtschaft besonders dringend. Ein gemeinsames Interesse der Wirtschaft bestand in der Angst vor dem Bolschewismus und der Hoffnung, daß die Nationalsozialisten – einmal an der Macht – eine beständige politische und wirtschaftliche Grundlage in Deutschland herstellen würden…. In diesem Zusammenhang sind zu erwähnen: eine von Hitler projektierte Erhöhung der deutschen Wehrmacht von 100 000 auf 300 000 Mann…“. (zitiert nach Kühnl, Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten, Köln, 1980).
Letztlich waren die Bemühungen des Kölner Bankiers erfolgreich: Am 30. Januar 1933 waren die beiden Hauptbeteiligten des Treffens in Amt und Würden. Hitler wurde Reichskanzler, von Papen Vizekanzler. Die Interessen der „Männer der Wirtschaft“ wurden Ziele der Nazipolitik, der Bolschewismus wurde bekämpft und auch die Wehrmacht wurde vergrößert – das Ende ist bekannt. Die „beständige Grundlage“ währte 12 lange Jahre und kostete mehr als 50 Millionen Menschen das Leben. Im Jahr des 70. Jahrestages der Befreiung sollten wir nicht vergessen, wer an der Installierung der Nazidiktatur beteiligt war und von ihr profitierte. Eine Tafel im Bürgersteig vor der einstigen Villa Schroeder, die auf Beschluss der Bezirksvertretung verlegt wurde, erinnert daran.

Gedenktafel vor der einstigen Villa Schroeder

Gedenktafel vor der einstigen Villa Schroeder