Unterbringung von Flüchtlingen in den Kommunen

27. Oktober 2013

Es geht um die Menschenwürde – sie ist unteilbar

Im September 2013 hat die Stadt Köln 325 neu zugezogene Flüchtlinge kurzfristig untergebracht. Bereits vor zwei Jahren war diese Entwicklung absehbar, getan hat die Verwaltung aber nicht viel. 2672 Flüchtlinge leben in Köln, 1000 mehr als 2009, dem Tiefstand der Flüchtlingsunterbringung. Dass vor der weitgehenden Einschränkung des Asylrechts ein Vielfaches von Flüchtlingen in der Bundesrepublik lebten, wird immer wieder verschwiegen. Das müsste aber eigentlich der Maßstab und die Orientierung des politischen Handels sein. Denn wir reden über eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen – von einklagbaren Menschenrechten –, ein Thema, mit dem sich die Verwaltungen auf kommunaler und Landesebene seit 1945 eigentlich ganz gut auskennen. (Eventuelle Tabelle der Flüchtlinge seit 1945)

Beispiel für Unterbringung in Wohncontainern, die durch geschlossene Wohneinheiten für mehr Privatsphäre sorgen als die üblichen Massenunterkünfte, leider von der Stadt Köln aber nicht geordert wurden

Beispiel für Unterbringung in Wohncontainern, die durch geschlossene Wohneinheiten für mehr Privatsphäre sorgen als die üblichen Massenunterkünfte, leider von der Stadt Köln aber nicht geordert wurden

Von den Kölner Flüchtlingen leben 1735 in Wohnheimen, 580 in Hotel- oder Pensionsbetrieben und 147 in den beiden Erstaufnahmeeinrichtungen in der Herkulesstr. und der Vorgebirgsstraße. Die Verwaltung plant nun, die Einrichtung in der Herkulesstr. auf 450 Plätze zu erhöhen. (1) Das ist eine „Massenunterkunft“, kritisierte der Kölner Stadt-Anzeiger zu Recht diese Planungen. Dabei sollen die drei Stockwerke der ehemaligen TÜV-Immoblie auf 3 x 70 Personen ausgebaut werden und auf dem Gelände sollen 4 Containereinheiten für je 60 Personen errichtet werden. Macht zusammen 450 Personen.

Die Ratsfraktion der LINKEN kritisierte diese Planungen heftig: „Das ist eine Katastrophe! Unter der rot-grünen Ratsmehrheit entstehen in der Kölner Flüchtlingspolitik Verhältnisse, wie zurzeit der schwarz-gelben Ausgrenzungspolitik in der Verantwortung von Herrn Dr. Bietmann (CDU).

Die Verwaltung bringt die Flüchtlinge in billigen Massenunterkünften unter unmenschlichen Bedingungen unter. Nicht einmal das Niveau, das mit guten mobilen Wohneinheiten möglich wäre, erfüllen die Container, die die Verwaltung einsetzen will. Diese Container werden weder Sanitär- noch Kochgelegenheiten haben.“ (2)

Die örtliche Presse griff diese Kritik auf und schrieb:

„Der CDU-Fraktionschef Rolf Bietmann war bis 2003 der mächtigste Mann im Stadtrat. Als 2001 in Kalk ein Container-Dorf für Flüchtlinge eingerichtet worden war, brauste ein Sturm der Entrüstung durch die Stadt.

Die heute regierenden Parteien SPD und Grüne warfen zusammen mit vielen Hilfsorganisationen der Ratsmehrheit von CDU und FDP sowie der Stadtverwaltung vor, Flüchtlinge „menschenunwürdig“ zu behandeln. SPD-Parteichef Jochen Ott kritisierte die zentrale Unterbringung von Hunderten Flüchtlingen. Das Container-Dorf, in dem zeitweise 300 Menschen lebten, wurde zum Symbol einer fehlgeleiteten Flüchtlingspolitik.

Die Kritik zeigte Wirkung: Die Vertreter der damaligen politischen Mehrheit fühlten sich zum Ortstermin gezwungen und äußerten sich überrascht über das, was sie mitzuverantworten hatten. Bietmann kündigte eine Wende in der Flüchtlingspolitik an. ,Wir haben gelernt´, gab ein FDP-Sozialpolitiker gar zu Protokoll.“ (3)

Aus der damaligen katastrophalen Unterbringung der Flüchtlinge waren Konsequenzen gezogen worden. Mit großen Mehrheit hatte der Rat die Leitlinien zur dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen beschlossen und einen runden Tisch eingesetzt. Mit ihren jetzigen Plänen verstößt die Verwaltung eklatant gegen diese Richtlinien. Das ist schlimm genug. Die Verwaltung hat weder ein Konzept, wie sie langfristig aus der Lage wieder herauskommen will, noch Grundsätze, wie sie aktuell die Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen kann.

So kündigte die Verwaltung in einer Presseerklärung an, neben der Massenunterkunft von 450 Personen in der Herkulesstr. auch „befristete Wohncontaineranlagen für Flüchtlinge“ über das ganze Stadtgebiet aufzubauen, die „voraussichtlich (auf) 100 Personen begrenzt werden, Sanitär- und Kochgelegenheiten müssen separat von den Wohncontainern errichtet werden.“

Das ist eine Politik der „Verordneten Verwahrlosung“, wenn Flüchtlinge nicht menschenwürdig untergebracht werden.

Die Ratsfraktion DIE LINKE hat die Verwaltung darauf aufmerksam gemacht, dass es sehr wohl qualitativ hochwertige Containerwohnanlagen gibt, mit Sanitär und Kocheinheiten und einem äußeren Erscheinungsbild, das nicht an Container erinnert. (4)

Der Kölner Flüchtlingsrat kritisiert die Politik der Stadtverwaltung ebenfalls heftig:

Gerade für besonders schutzbedürftige Personengruppen wie für Kinder, Kranke oder alte Menschen ist das Leben im Container unzumutbar. Eine kurz befristete Unterbringung wäre vielleicht noch hinnehmbar. Aber die Stadt hat weiterhin kein mittel- und langfristiges Konzept für die Unterbringung in festen Einrichtungen mit abgeschlossenen Wohneinheiten. … Auch hierbei sieht der Flüchtlingsrat einen eklatanten Verstoß gegen die „Leitlinien“.

Claus Ulrich Prölß vom Flüchtlingsrat fordert ein Umdenken: „Die Sitzung des Runden Tisches für Flüchtlingsfragen am 18.10.2013 kann zu einer Zerreißprobe für das Gremium werden. Der Runde Tisch muss sich mutig gegen diese fatale Entwicklung stemmen und humanitäre Standards bei der Flüchtlingsunterbringung einfordern. Es geht um die Menschenwürde – sie ist unteilbar.“ (5)

Jörg Detjen

Quellen:

1 Presseerklärung der Stadt Köln vom 9.10.2013
www.stadt-koeln.de/1/presseservice/mitteilungen/2013/08746/

2 Presseerklärung der Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt Köln, vom 9.10.2013

3 Kölner Stadt Anzeiger, 10.10.2013

4 Material kann über Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt Köln angefordert werden:
dielinke.-fraktion@stadt-koeln.de

5 Presseerklärung des Kölner Flüchtlingsrat vom 9.10.2013